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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Wachtmeister ein Schriftstück zu lesen. Der zwinkert und buchstabiert. »Wie? Was? Dann gehört der Laden ja gar nicht dem Fräulein.«
    »So dumm bin ich ja nicht«, sagt Knittel mit geweiteter Brust. »Wenn ich was bezahle, dann sorge ich auch dafür, daß es mir gehört. Der Laden ist mein Eigentum, und damit kann ich machen, was ich will, hier kann ich reingehen, so oft ich will, da kann ich kaputtschlagen, was ich will, und da kann ich rausschmeißen, wen ich will, – darf ich bitten!«
    Die Aufforderung ist nicht mehr nötig. Aus dem Trümmerhaufen der zerbrochenen Gläser und Flakons sind die entfesselten Wohlgerüche der ganzen und der halben Welt emporgestiegen und haben sich in sinnloser Menge und Mischung zu einer grausamen Duftwolke vereinigt, die sich den Anwesenden betäubend auf Lunge und Gehirn legt. Sie weichen benommen aus dem Laden, an die frische Luft, erst die Gaffer, dann das abgesetzte Fräulein, schließlich auch röchelnd der Schutzmann. Knittel, das Taschentuch wie eine Gasmaske vor das Gesicht pressend, bleibt als letzter und kehrt die Scherben zusammen.
    Dann nimmt er die Kasse an sich und schließt den Laden.
    ***
    Als er wieder auf der Straße ist und die frische Luft ihm um den Kopf geht, kommt er zu sich. Das Gefühl seines Triumphes fällt von ihm ab, und langsam dämmert die Erkenntnis: Eine gute Figur hat er vielleicht gemacht bei der Sache im Laden, geradezu schneidig hat er sich aufgeführt. Aber das Ergebnis? Er ist geneppt worden, für sein gutes Geld hat er die Freundin nicht errungen und einen zertrümmerten Laden am Bein. Der Fall zeigt ihm wieder einmal, was er aus hundert anderen wußte, aber nicht wahrhaben wollte: Daß es überall nur sein Geld ist, auf das man es absieht, und daß er nach wie vor nichts anderes ist als ein kleiner Gassperrbeamter aus der Urbanstraße ohne Format und Bedeutung, der sich lediglich durch seine leichtfertigen Fünfzigmarkscheine ein zweifelhaftes Ansehen bei Weinkellnern und Barmädchen verschafft hat.
    Seine Gedanken laufen weiter. Das Geld hat ihn zum Narren gemacht. Mit Geld glaubte er die Höhepunkte der irdischen Freuden zu erreichen, und ist dabei jämmerlich einer banalen und kaltschnäuzigen Vergnügungsindustrie in die Arme gelaufen. Er, der geborene Berliner und Weltstadtbürger, ist wochenlang auf das hereingefallen, was dem Mann aus der Provinz höchstens für eine halbe Nacht passiert.
    Vor Geld hat er allerhand Achtung. Es ist nicht nur ein behaglicher Zustand, sondern auch eine Auszeichnung, gewissermaßen Ausdruck einer bewiesenen Tüchtigkeit. Sein Geld ist anderer Art. Ein boshaftes Schicksal hat es ihm sinnlos um die Ohren geschlagen; nun muß er sehen, wie er damit fertig wird.
    Er marschiert planlos weiter, von seinen Gedanken getrieben, zwischen eiligen Menschen, die ihm fremd sind, und steilen Häuserfronten, die ihn nichts angehen. Immer mehr kommt ihm zum Bewußtsein, daß er einsam ist.
    Auf einer Brücke bleibt er stehen, stützt die Arme auf das eiserne Geländer und schaut trübselig in das schwarze Wasser. Leute kommen vorbei und werden aufmerksam. Was ist mit dem Wasser? Sie bleiben stehen und schauen ebenfalls. Erst einer, dann andere, es werden immer mehr. Als die Brücke voll ist, kommt ein weißer Verkehrsschutzmann: Weitergehen!
    Knittel wird mit fortgedrängt. Er weiß nicht, wohin er will. Er ist längst an seiner Haltestelle vorüber, auch an dem U-Bahnhof, wo er umsteigen müßte. Ein unheimliches Gefühl sitzt ihm im Nacken, er hat eine Ahnung, als wenn ihm noch etwas sehr Trauriges bevorstünde. Von seinen Päckchen hat er schon ein gutes Teil verzettelt, mehr, als er jemals wird ersetzen können; den Rückweg zur Redlichkeit hat er sich abgeschnitten. Vielleicht läuft schon irgendwo ein drohendes Aktenstück hinter ihm her. Wird man so schnell zum Verbrecher? Ohne Sinn und Ziel irrt er weiter, durch Straßen und Viertel, die er nie gesehen hat. Das Gehen tut ihm gut, lenkt ihn ab von den jagenden Gedanken. Schließlich ist er müde und setzt sich auf eine Bank.
    Wie ist das alles gekommen? Knittel schämt sich und sucht nach Mitschuldigen. Erika hat ihn schlecht behandelt, offenbar hat sie sich an ihm rächen wollen. Natürlich hat sie recht, aber das konnte sie nicht wissen, sie hat ihm nichts beweisen können. Und darum hat sie unrecht. Erika ist schuld.
    Die Bank, auf der er sitzt, ist landschaftlich ohne Reiz. Sie steht an einer freien Ecke zwischen Häuserblocks, die abgerissen werden. Auf

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