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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Quadratärger?
    Man kann ihn heldenhaft vornehm herunterschlucken. Dann sitzt er quer und liegt im Magen, kommt gallig wieder hoch.
    Man kann seinen Ärger auch austoben. (Der Gebildete sagt abreagieren.) Beliebt ist Porzellangeschirr. Aber auch kostspielig. Nicht im Augenblick – da ist einem alles egal. Sondern später, wenn man es neu anschaffen muß. Dann ärgert man sich von neuem. Auch diesen Ärger muß man austoben. Beliebt ist usw. – es wird ein ewiger Kreislauf.
    Man kann sich hierzu auch einfaches Steingut anschaffen. Wenn es soweit ist, sagt man zur Minna: »Bitte, das billige Geschirr, ich will mich ärgern.« Aber dann lächelt die Minna.
    Man könnte auch kupferne Aschenbecher nehmen. Sie gehen nicht kaputt, sind aber undramatisch und wirken geizig.
    Überhaupt: Der vornehme Mann schmeißt nicht. Der vornehme Mann schreibt. Er verspritzt seinen Ärger in Tinte.
    Wir sind ein vornehmer Mann. Also schreiben wir: an unseren Ärger, ans Gericht, an die Behörde. An wen, ist gleichgültig. Die Hauptsache ist, daß der Brief saftig wird. Er muss triefen. Man muß ihn schreiben mit knirschenden Zähnen und geballten Fäusten. Noch besser: diktieren und dabei wie ein Löwe durch den Käfig stampfen.
    Man nehme kein Blatt vor den Mund. Ausdrücke wie ›kaum zu glauben‹ oder ›unerhört‹ sind viel zu schwächlich und außerdem verbraucht. Man schreibt in Fortissimo. Die deutsche Sprache ist ja so reich. Demnächst soll zu diesem Zweck ein alphabetisches Wörterbuch erscheinen, von »Armleuchter« bis »Zulukaffer«. Noch vornehmer sind klassische Zitate, besonders diejenigen mit Pünktchen.
    Wenn man sich diesen Brief vom Leibe geschrieben hat, mit den nötigen Unterstreichungen, verdoppelten Ausrufungszeichen und sonstigen Verzierungen – dann ist einem wohler. Man trinkt einen Kognak und geht an die Arbeit.
    Ist das nicht ein vorzügliches Rezept?
    Hallo – da hätte ich beinahe eine Kleinigkeit vergessen. Der Brief darf natürlich nicht herausgehen. Unsere kluge Sekretärin muß den Mut haben, die Absendung zu vergessen. Nach zwei, drei Tagen kann sie es süß-errötend eingestehen. Wir tun dann als ob: »Sie dürfen nichts vergessen; der Brief war glücklicherweise nicht eilig – geben sie ihn noch mal her, vielleicht – ja, eigentlich sollte man ihn abschicken. – Aber wir wollen uns das Porto sparen.«
    Und die Anwaltskosten!
Der Pulverkopf
    Das war damals, als es noch die guten alten Polizeisergeanten gab, mit roten Aufschlägen auf blauem Tuch, mit langen Säbeln und blitzenden Pickelhauben, die in eine Christbaumspitze endeten. Ich will nichts gegen unsere Schupos gesagt haben, es sind prachtvoll gewachsene Leute mit eisernen Gesichtern, und verdammt sachlich. Die Polizeisergeanten von ehedem waren in allem das genaue Gegenteil, sie waren Individualitäten. Manchmal sogar Originale. Und dann hießen sie dementsprechend: Drahtschnauz, Gummifutt oder gar Pulverkopp. Und waren unentbehrliche Inventarstücke ihres Reviers.
    Der Pulverkopf hatte sicher noch einen richtigen Namen. Aber den wußte niemand. Vielleicht stand er im Adressbuch.
    Der Pulverkopf bestand im wesentlichen aus Bauch. Von weitem sah er aus wie eine blaue Kugel, an deren Vorderseite ein Meridian von goldblanken Knöpfen herunterlief. Seine Beine waren kurz und gespreizt wie bei einem Weckmann. Die Ärmchen standen steil nach der Seite und waren gerade lang genug, um das feldwebelmäßig zwischen dem dritten und vierten Uniformknopf steckende Notizbuch zu greifen. Das Beste aber war der Kopf, kugelig, prall und unbehaart von allen Seiten. Und von einem leuchtenden Knallrot, als wolle er explodieren. Das ist Diensteifer, sagten die einen, das ist vom engen Kragen, sagten andere; das ist von ganz was anderem, sagten die Bösen.
    Eine Schönheit war er jedenfalls nicht, der Pulverkopf. Aber unbestreitbar dekorativ. Besonders wenn er auf seinem Inspektionsgang die Straßen entlang stappelte, immer mitten auf dem Fahrdamm. Von dort aus konnte er die Straße, die Häuser und die Ascheneimer am besten übersehen. Und alle Leute sahen, daß er da war. Autos, die ihn hätten anfahren können, gab es noch nicht. Und wenn es welche gegeben hätte, sie hätten sich gehütet. Denn darin verstand der Pulverkopf keinen Spaß. Er verstand überhaupt keinen Spaß und hielt streng auf Ordnung und Sitte.
    Insonderheit bei der Jugend, deren Beruf es bekanntlich ist, gegen Zucht und Ordnung zu verstoßen. »Pulverkopp« war der

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