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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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alten Käpten bis zur jüngsten Konservenbüchse. Nur der Erzähler nicht. Es ist ähnlich wie in der Schule, wo jeder anständige Vater Primus war.
    Jedes Wetter ist schön.
    Schön in seiner Art. Der weiche Sonnenschein, der einen in Watte wickelt und wohliges Grunzen entlockt. Der frischfröhliche Sturm, der die morschen Äste knackt und den Weiberchen die Röcke über den Kopf pustet. Der vergnügte Plätscherregen, der übermütig an die Scheiben klopft und nicht herein darf, und der ernste Nebel, der alles in gespenstische Tücher wickelt und Berge und Bäume ins Gigantische vergrößert. Der klirrende Frost, der einen die Wohltaten der Zentralheizung und des Punsches auskosten läßt, und der lustige Schnee, der auf Plüschpantoffeln geht und uns die Reise ins Engadin erspart.
    Das Wetter hat auch seine biologische Seite, wie alles. Bei Regen sind die Bänke nass und ungeeignet. Dafür gehören die Regenschirmpromenaden zu dem Romantischsten, was das Wetter zu bieten vermag. Ein gemeinsamer Regenschirm bei entsprechendem Sauwetter garantiert eine traulich einsame Zweisamkeit. Man marschiert durch Regen und Pfützen und weiß nichts davon, man sieht nicht und wird nicht gesehen, Regen und Schirm bieten willkommene Deckung; so verrinnt Zeit und Regen, er hat längst wieder aufgehört, die Straßen sind wieder trocken, man merkt es nicht und läuft immer noch unter dem schützenden Dach, dieselbe Straße, denselben Häuserblock, von Zeit und Raum gelöst.
    So war das zu meiner Zeit. Heute geht man in die kleine Konditorei oder ins Kino. Der junge Mann von heute hat kaum einen Hut, geschweige einen Schirm.
    Am interessantesten ist das Wetter, das noch gar nicht da ist, das erst kommen soll. Früher hörte man auf Rheumatismus und Laubfrosch, heute wird es von Wetterwarten und Rundfunk besorgt. Früher konnte man sich wenigstens darauf verlassen, daß es nicht eintraf; heute kann man nicht einmal darauf bauen. Ein trauriges Geständnis: Wir können den Lauf der fernsten Gestirne auf Jahrtausende im voraus bestimmen. Aber wie auf unserem kleinen Planeten morgen der Wind weht, das wissen wir nicht.
Vom Tanzen
    Als ich noch klein war, fragte ich: warum.
    Heute kenne ich die Sinnlosigkeit dieser Frage. Aber als kleiner Junge war ich noch von der Logik des Weltgeschehens durchdrungen, wollte alles wissen und alles ergründen. Mit meinem kindlichen Warum spießte ich auf, was mir in die Quere kam, und brachte Eltern und Tanten in Weißglut.
    Es war nicht philosophischer Forschungsdrang, sondern Quälsucht. Ich hatte herausbekommen, daß man mit einem hartnäckigen Warum jede menschliche Weisheit aus den Angeln hebt. So was macht Spaß:
    »Warum muß ich essen?«
    »Damit du groß und stark wirst.«
    »Warum muß ich groß und stark werden?«
    »Damit du Geld verdienst.«
    »Warum muß ich Geld verdienen?«
    »Damit du zu essen hast.«
    »Warum muß ich essen?«
    Daraufhin kündigte unser neunzehntes Kindermädchen.
    ***
    Mein kindliches Gemüt habe ich mir sorgsam erhalten, auch heute noch macht es mir Spaß, ernste, gediegene Menschen durch ein arrogantes Warum auf den Kopf zu stellen. Zum Beispiel: Warum tanzt man?
    Die Frage bewirkt eine kleine Revolution und wird verschieden beantwortet:
    Der Backfisch: »Sind Sie aber ulkig!«
    Der Empfindliche: »Herr, was wollen Sie damit sagen?«
    Der Wohlerzogene: »Man kann sich nicht ausschließen.«
    Der Ästhet: »Verzeihen Sie die Gegenfrage: Wer ist ›man‹?«
    Der Korrekte: »Wie soll man sonst mit den Damen bekannt werden?«
    Der Genießer: »Man kriegt was Knuspriges in den Arm.«
    Der Heuchler: »Ich lehne erotische Untergründe ab und tanze aus Freude am Rhythmus.«
    Sie haben alle recht, die Rhythmischen, die Knusprigen, die Vorwandsuchenden.
    Und alle unrecht. Zum Tanzen braucht man keinen Grund, zum Tanzen braucht man nur etwas Süßes im Arm.
    ***
    Warum rede ich ausgerechnet vom Tanzen?
    Auch ein Warum. Aber diesmal hat es einen einzigen, dicken Grund: Man spricht mit Vorliebe von Sachen, die man nicht versteht. Da geht es am besten.
    Ich finde Tanzen schön. So schön wie jede andere Arbeit: Ich kann stundenlang zusehen, ohne zu ermüden.
    Ich halte es mit dem klassischen Altertum. Die heiteren Griechen malten Pythagorasse in den Sand, die fetten Römer fraßen Nachtigallenzungen. Tanzen taten sie alle nicht. Dafür hatten sie ihre Leute: Wohlgeratene und sparsam verhüllte Sklavinnen aus dem In- und Auslande. Die antike Herrenwelt sah zu und freute sich, daß

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