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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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habe ich hier noch nie etwas gehört. Gibt es das überhaupt?«
    Vor allem wollte ich etwas über die Frauenabteilung erfahren. Da zog er ein süßsaures Gesicht. »Ich kann Ihnen darüber nur sagen, was ich in den Akten habe. Ich darf selbst nicht hinein. Da soll eine Kleinigkeit passiert sein, die man mir in die Schuhe schiebt. Seitdem untersteht die Frauenriege meiner Frau Großmutter.«
    »Oh«, sagte ich.
    »Sie brauchen nicht ›oh‹ zu sagen. Meine Frau Großmutter hat viel von ihrer Eigenart verloren; sie wird jetzt von einem amerikanischen Schönheitsinstitut reklamehalber beliefert und hat sich in einen platingewellten Dauerengel verwandelt.«
    »Die Abteilung ist wohl sehr überfüllt?«
    »Im Gegenteil. Mit den Frauen ist das so: Die Häßlichen haben keine Gelegenheit zum Sündigen, und das bisschen Neid und Bosheit, mit dem sie sich begnügen müssen, wird im Fegefeuer erledigt. Und was die schönen Frauen anbetrifft, die haben durchweg eine verteufelt gute Protektion. Die Lukrezia Borgia zum Beispiel, auf das Prunkstück hatten wir uns so gefreut, aber dann kam die hochmögende Verwandtschaft dazwischen und da war's aus. Und die Sappho haben sie mir wegen ihrer literarischen Verdienste begnadigt. Was uns noch geliefert wird, ist allenfalls das kleine Kroppzeug vom Asphalt und so weiter.«
    »Und das lassen Sie sich gefallen?«
    »Liebe Seele Nummer 004.711, du mußt nicht glauben, daß ich auf die Seelen so erpicht wäre. Das ist eine Erfindung, ein Reklametrick der Konkurrenz. Ich bin ein alter Mann und will meine Ruhe haben. Außerdem bin ich fest besoldet, und jede Seele macht nur neue Arbeit, Sie wissen doch, Klebekarte, Kartothek, Eintreibung der Versicherungsbeiträge. In der Hölle bleibt uns nichts erspart. Übrigens bin ich ziemlich aus der Mode gekommen. Seit der Erfindung der Giftgase haben die Menschen keinen Respekt mehr vor meinem Betrieb, sie machen sich ihre Teufeleien selber und benutzen mich höchstens noch zum Fluchen. Ich habe nur Existenzberechtigung, solange die Leute an mich glauben und Angst vor mir haben. Unter uns gesagt, und bitte nicht darüber sprechen: Ich bin keine Realität, ich bin nur ein Phantasieerzeugnis: Mich schuf der Mensch nach seinem Ebenbilde. In Wahrheit gibt es mich nicht, und ich verstehe nicht, wie Sie es überhaupt fertig bringen, mit mir zu sprechen.« Ich verstand es auch nicht. Und ich kam allmählich dahinter, daß die ganze Geschichte von mir erlogen ist.
Veränderlich
    Über das Wetter sprechen ist nicht originell. Aber bequem und praktisch.
    Bequem: Man stürzt sich nicht in geistige Unkosten, es verlangt weder Schulbildung noch Vorkenntnisse. Über das Wetter kann jeder etwas sagen, der Dümmste und sogar der Klügste. Und wer nicht selbst Bescheid weiß, hat es bereits von andern gehört. Nichts spricht sich so schnell herum wie das Wetter.
    Praktisch: das Wetter ist weder weltanschaulich fundiert noch politisch gefärbt, noch rassebiologisch bedingt, noch hat es mit Völkerbund oder Luftschutz oder gar mit Butter zu tun. Es ist unverfänglich und unverbindlich, man kann ruhig darüber sprechen.
    Wetter ist ein Gesprächsstoff, der nie ausgeht. Man kann nicht jeden Tag über Film sprechen, soviel Filme gibt es nicht. Aber Wetter gibt es jeden Tag neu. Ich habe noch keinen Tag ohne Wetter erlebt. Und wenn überhaupt kein Wetter mehr ist. dann ist es ein Unwetter, dann fällt ein Kirchturm um, und man kann erst recht darüber sprechen.
    Ein wahres Glück, daß der liebe Gott eigens zu diesem Zweck das Wetter erfunden hat. Man käme sonst in scheußliche Verlegenheit.
    Wetter ist der einzige Gegenstand, über den nicht gelogen wird. Hier gibt es keine Gräuelmärchen. Es hätte auch keinen Sinn, über das Wetter zu flunkern.
    Mit einer Ausnahme: Wenn man von der Reise kommt. In der Sommer-, Herbst-, Winter- oder Zwischenfrische hat man ausnahmslos das herrlichste Wetter gehabt und fällt aus allen Wolken, wieso es zu Hause regnen konnte. Warum tut man das? Man will den mit Zeit und Geld erkauften Neid seiner Mitmenschen einkassieren und gönnt ihnen nicht einmal das bisschen Schadenfreude.
    Bei der Seereise ist es umgekehrt. Da hat man regelmäßig einen wahnwitzigen Sturm erlebt. Windstärke elf und so. Merkwürdig, daß alle anderen Windstärken auf diesen Fahrten durchweg vergriffen sind. Haushohe Wellen schlugen über dem Schiff zusammen, man konnte keinen Himmel sehen und wußte nicht, was oben und unten war. Natürlich alles seekrank, vom

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