Heinrich Spoerl
Wünsche wie im Märchen, sondern so viel und so lange man will. Damit sich keiner beklagen kann. Das war das richtige für Anginchen. Im Wünschen war sie immer schon groß. Trotzdem fing sie vorsichtig an. Sie aß so entsetzlich gern Erdbeereis – schwupp, stand es vor ihr. Das machte sie kühner. Sie hatte eine kleine Stupsnase und einen etwas breiten Mund. Wenn sie doch – sie brauchte gar nicht zu Ende zu wünschen; man reichte ihr den Spiegel, sie sah bereits aus wie eine Kreuzung zwischen Greta Garbo und Lil Dagover. Und jetzt fehlte ihr nur noch – hallo, da war er ja schon, der tadellos gebügelte Kavalier, der sie zu den Klängen der Sphärenmusik über das himmlische Parkett walzte.
Wenn man einmal beim Wünschen ist, kann man nicht mehr bremsen. Der himmlische Eintänzer gefiel ihr nicht, war zu sehr Konfektion. Sie dachte an – oder auch vielleicht – und schon geschah es, schon sprosste ihm auf der Oberlippe Wohlbrücks zärtliches Bärtchen, und mit Forsters heißer Stimme gab er seine halblauten Befehle: ruhiger tanzen.
Angina zerfloss in Wonne. Aber tanzen macht nicht satt, im Gegenteil. Schon stiegen weitere, heißere Wünsche. Nicht ein Tänzer, ein Sieger mußte es sein. Und schon war es Albers, der sie in den Armen hielt und zu siegen begann. Er fasste sie fester, – sie fühlte den Mann mit der Pranke, er drückte ihr einen Kuss auf, lang und bebend wie der Happyend-Kuss im Film. Und die himmlischen Herrschaften, die im Kreise herumstanden, fingen warnend an zu zischen.
Angina hörte nicht darauf. Sie war mitten im Wünschen, und es ging so schön und es tat so gut, sie wünschte – ich weiß nicht, was es noch war, aber es muß wohl nicht das richtige gewesen sein. Vielleicht war sie auch mißverstanden worden. Jedenfalls tat es auf einmal einen Donnerknall, der himmlische Kavalier zerrann in ihren Armen, das Parkett ging auseinander, und Angina Müller fiel im rasenden Sturzflug zur Erde nieder.
Und als sie die Augen rieb, lag sie zu Füßen ihres Stuhles, von dem sie abgerutscht war. Die zarten Flügel waren zum Teufel, und im Rutschen hatte sie auch das Tischtuch mit Flaschen und Gläsern nach sich gezogen, das hatte den Knall gegeben.
Und merkwürdig: An den unversehrten Engel hatte sich niemand getraut, jetzt, wo er gefallen am Boden lag, stürzten die Retter herbei. Einer machte keine langen Umstände, rupfte ihr die Reste der englischen Flügel ab und schwenkte sie durch den Saal. Er hatte kein zärtliches Bärtchen, keine heiße Stimme und war auch kein blaublitzender Sieger. Er war nichts von alledem, aber er hatte einen unerhörten Vorzug: er war kein Traumgebild, sondern absolute Realität.
Angina war schon immer für das Reelle gewesen; so war sie erzogen. Und was das übrige anbetraf; in seinen Armen konnte sie sich wünschen, was sie wollte. Es gab kein Zischen und kein Knallen, es gab gar nichts.
Aber es ist möglich, daß es demnächst in Erfüllung geht.
Ich fahre in die Hölle
Als ich noch lebte, hatte ich den Wunsch, dermaleinst in die Hölle zu kommen. Das war nicht originell und auch ein bisschen abgeschmackt. Vielleicht war es Neugier oder Oppositionsgeist oder gar Größenwahn. Aber des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Meiner war die Hölle.
Es gelang mir auch. Allerdings nicht durch entsprechenden Lebenswandel – das wäre mir zu anstrengend gewesen –, sondern durch eine kleine Schiebung: Ich fand einen ehrgeizigen Diplomaten, der froh war, mit mir seinen Zuteilungsausweis tauschen zu können. So war uns beiden geholfen.
In zersetzenden Schriften hatte ich gelesen und von bedenklichen Freunden gehört, daß die interessanten Männer und die schönen Frauen sich vorzugsweise in der Hölle befänden. Das war es, was mich reizte. Es fing aber gleich mit einer Enttäuschung an; dafür war es eben die Hölle. Der Eingang hatte zwei getrennte Portale mit den Aufschriften: Für Herren, Für Damen. Ein Winkposten mit weißen Handschuhen paßte höllisch auf und sortierte unerbittlich, sachkundig und unbestechlich. Es war nichts zu wollen. Auch die großen Männer enttäuschten mich. Alexander der Große war mit am längsten unten und hatte auf Grund seiner niedrigen Nummer einige Vorrechte. Er spielte mit Bleisoldaten und interessierte sich nur für seine Phalanx. Cäsar brütete über einer Karte von Afrika und rauchte vor Wut, daß er in Kleopatras Armen versäumt hatte, Abessinien für die römische Kultur zu erobern. Napoleon beklagte sich
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