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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Erinnerungsbilder waren durchaus verschieden; was sie noch wußte, hatte ich vergessen, und umgekehrt. Ich wurde unsicher, und sie sagte zu allem ja. Es liegt zu weit, bei mir fünfundzwanzig Jahre, bei ihr fünfundzwanzig Jahre, beides in verschiedener Richtung; so sind wir fünfzig Jahre auseinander. Das kann eine Tasse Kaffee nicht überbrücken.
    Sprechen wir von der sprühenden Gegenwart. Sie erzählt von ihrem Geschäft und der neuen Heißluftmangel, die sie sich anschaffen mußte, mit patentierter Kantenschonung und Vorheizeinrichtung, ich spreche von meinen Büchern, meinem Verleger und der Umschlagszeichnung. Sie versteht nichts von Büchern, ich nichts von Heißluft. So erzählen wir aneinander vorbei, wissen es und tun, als merkten wir nichts. Immerhin kann ich feststellen, es geht ihr gut, ihr Leben ist gesichert, und sie erfährt von mir, daß ich voller Hoffnungen und Pläne bin. Das beruhigt uns gegenseitig. Aber dann sind wir am Ende. Wir sprechen bereits vom Kaffee, von der Bedienung, vom Wetter. Es ist Zeit. Wann können wir fahren? Endlich ist ein gemeinsames Interesse gefunden.
    Es ist halb sechs. Ich bringe sie an ihren Zug.
    »Nette Idee, daß wir uns mal getroffen haben.«
    »Ja – sehr nett soweit. Also auf – Adjö.«
    »Adjö, ebenfalls.«
    Der Zug pfeift. Ich habe immer noch das Sträußchen in der Hand, von der Hitze und von der Handwärme ist es schlapp geworden. Ich kann es ihr noch gerade reichen.
    »Immer noch so vergesslich«, sagte sie. Das war das einzige Wort, das mich ansprach.
    Auf der Rückfahrt hatte ich Zeit, mir den Fall zu überlegen. Eigentlich habe ich gewußt, daß es so kommen würde. Ich habe das alles genau vorausgesehen. Es war selbstverständlich, zwangsläufig. Und aus diesem Grunde –
    Ja, aus diesem Grunde habe ich das ganz anders gemacht. Ich habe einen weißen höflichen Briefbogen genommen und habe ihr geschrieben: Infolge starker beruflicher Beanspruchung und so weiter – aber vielleicht wird sich einmal die Gelegenheit geben und so weiter –. Wie man zu lügen pflegt, um einem Menschen nicht wehe zu tun.
    Und bin gar nicht hingefahren.

Die Hochzeitsreise
    Die beiden Stühle waren bereits leer. Aber man behandelte sie weiterhin mit einer gewissen Andacht, sie blieben Mittelpunkt des Festes. Man hatte sich Mühe gegeben, das heimliche Aufbrechen des Paares zu übersehen. Immerhin war es nicht zu vermeiden, daß manche Gedanken und Betrachtungen hinter den beiden herliefen, heitere und rührsame, lose und ernste.
    Es ist nicht schicklich, Neuvermählten auf ihrer Fahrt ins Glück zu folgen und den Sachverhalt zu verzeichnen. Ich meinerseits kenne ihn auch nur aus den Prozessakten, die aus der jungen Ehe hervorgingen.
    Wirklich wissen konnte es zudem nur Pitt. Vorläufig allerdings lag er faul in seinem Hundekörbchen zu Füßen des breiten Doppelbettes; er war froh, den vielen fremden Leuten entronnen zu sein, und kümmerte sich in keiner Weise um die beiden jungen Menschen, die zunächst noch etwas befangen waren und nicht recht wußten, wie sie sich jetzt angemessen verhalten sollten. Das wäre an sich die einfachste und natürlichste Sache von der Welt gewesen; schwierig war sie erst dadurch geworden, daß beide zu viel darüber nachgedacht hatten. Da sie glaubten, daß von dieser ersten Begegnung der Stil ihrer künftigen Ehe abhängig sein würde, so hatten sie sich vorgenommen, ein Höchstmaß an Zartgefühl, Innigkeit und Zurückhaltung an den Tag zu legen. Somit geschah zunächst nichts Entscheidendes.
    Schließlich dachte die junge Braut: Im Anfang war das Wort. Und sprach: »Jetzt bin ich deine Frau.«
    Doktor Delius hingegen dachte: Im Anfang war die Tat. Und begann, seine Krawatte auseinander zuziehen. Aber dann merkte er, daß dadurch die Schönheit seines Ansehens, auf die es ihm in dieser Stunde besonders ankam, Schaden nehmen könnte, und er band die weiße Schleife heimlich wieder zu. Er könnte sich statt dessen auch eine Zigarette anzünden, aber das würde vielleicht als Verlegenheit gedeutet werden. Zum Glück fiel sein Blick auf den Teller mit Pfirsichen, den eine liebevolle Hand auf dem Nachttischchen bereitgestellt hatte. »Ist das für mich?«
    »Für uns«, sagte die junge Frau leise.
    Da kam ihm zum Bewußtsein, daß sein Junggesellendasein jetzt beendet, und aus dem eigensüchtigen Ich ein verpflichtendes Wir geworden war. Infolgedessen stopfte er die große Frucht ihr in den Mund. Sie wehrte sich und tat ihm das gleiche.

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