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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Küche und mußte sich gutgemeinte Tröstungen anhören. Maria verkannte die Situation. »Der soll schon wieder gut werden. Unser Vater ist auch schon mal so. Da muß man ihn gewähren lassen.« Man ließ sich in der Tat gewähren. Man wich sich gegenseitig aus. Keiner ging über den Flur oder die Treppe, ohne sich zu vergewissern, daß der andere ihm nicht begegnete. Und wenn es trotzdem geschah, wurden beide puterrot und stoben auseinander.
    Die für den Hausstand unumgängliche Verständigung geschah im schriftlichen Verfahren. Maria mußte die Zettel hin und her tragen. Sie sahen einigermaßen amtlich aus:
    Verfügung
    1. Wann gibt es gebackene Leber?
    2. Vorzulegen meiner Ehefrau
    gez. Kempenich
    Hedwig schrieb darunter:
    Gar nicht! gez. Hedwig
    Und Kempenich beendete den Schriftwechsel:
    1. Dann also nicht.
    2. Weglegen.   gez. Kempenich
    Am nächsten Tage bekam er gebackene Leber. Er rührte sie nicht an.
    Dafür gab es am folgenden Tage Kümmelfleisch. Kümmelfleisch konnte er in der Seele nicht ausstehen. Aber er fraß es herunter. Aus Trotz. Und aus lauter Trotz schmeckte es ihm so gut, daß Kümmelfleisch seitdem seine Leibspeise wurde.
    ***
    Man muß nicht glauben, daß Meister Faletti von Gewissensbissen zernagt wurde. Solche bürgerlichen Anwandlungen lagen ihm fern. Außerdem hatte er sich seine Lebensphilosophie nach Maß selbst angefertigt. Frauen waren für ihn ein begrifflicher Plural. So kam er nie in Verlegenheit. Manche kriegt man, manche kriegt man nicht. Ob man sie kriegt, kann man vorher niemals wissen. Darum muß man es versuchen. Mehr als »nein« sagen können sie nicht.
    Diese Kanzleivorstehersfrau hatte mehr als »nein« gesagt. Außerdem hatte er dabei seine Gesangstunden eingebüßt. Das war nur eine Geldfrage, und Geld spielte bei ihm in Liebesdingen keine Rolle. Aber daß ihm nun monatlich dreißig Mark fehlten, riß doch ein empfindliches Loch in sein Budget.
    Ein weiteres Loch hatte der Sühnedackel gerissen. Er hatte ihn vorsichtshalber mit Rücktrittsrecht gekauft. Jetzt war er ihn los, und die Sühne war doch nicht eingetreten.
    Die Kempenichs brachten ihm kein Glück. Er beschloß, sie aus seinem Leben zu streichen. Er hatte sich sein Gedächtnis wie eine Schiefertafel eingerichtet. Was ihm nicht gefiel, konnte er einfach auswischen. Hiervon machte er häufigen Gebrauch.
    ***
    Dafür wurde Tante Selma ständiger Gast im Hause Kempenich. Sie hatte eine unerhört feine Witterung für alles, was mit Zank und Zwietracht zusammenhing, und ein unbändiges Interesse für alle negativen Seiten des menschlichen Lebens. Denn negativ war auch ihr eigenes spätjüngferliches Dasein, und sie war glücklich, daß andere Menschen nicht glücklicher waren.
    Zunächst handelte es sich darum, den Fall Kempenich eingehend zu ergründen. Sie hätte Christian oder Hedwig danach fragen können. Aber das wäre der gerade Weg gewesen, und gerade Wege vermied sie aus einem tief eingewurzelten Instinkt, aus einem Bedürfnis nach Deckung. Sie ging lieber hinten herum. Hinten herum hieß in diesem Falle Maria.
    Die Maria läßt sich nicht aushorchen. Sie stellte sich dumm. Das war bei ihr durchaus nicht nötig. Aber da sie es dennoch tat, erwuchs daraus eine quadrierte Dummheit, an der selbst die Zähigkeit einer Tante Selma hoffnungslos zerfaserte.
    »Maria, was ist eigentlich los?«
    »Wo?«
    »Hier.«
    »Nix.«
    »Die sprechen doch nicht zusammen.«
    »Warum?«
    »Das will ich gerade wissen.«
    »Ja?«
    »Ist das schon lange?«
    »Was?«
    »Daß sie nicht sprechen?«
    »Wir haben auch einen Hund gekriegt.«
    Da gab es Tante Selma auf und bohrte an Hedwig.
    Hedwig sagte nichts. Ihr kamen die Tränen. Aber der unentwegten Tante Selma war sie auf die Dauer nicht gewachsen.
    »Der hat wohl in Köln zuviel Geld verbraucht?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Ja, liebes Kind, da mußt du dich nicht wundern. Die Männer sind ja soo verdorben. Ich habe mir keinen genommen. Wenn man sich das vorstellt, drei volle Tage in Köln, allein und ohne Aufsicht, und mit einem dicken Portemonnaie –«
    Da wurde es Hedwig zu bunt. Um ihren Christian vor übertriebenen Verdächtigungen zu schützen, fing sie an zu erzählen und schüttete ihr Herzeleid vor der Tante aus.
    Tante Selma war entzückt. »Kempenich und Frau?« Das übertraf ihre kühnsten Erwartungen.
    »Warst du schon beim Anwalt?« fragte sie plötzlich.
    »Ich? Laß den doch sehen, wie er mit der Polizei zurechtkommt.«
    »Ich meine wegen der Scheidung. Oder

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