Heinrich Spoerl
Verlegenheit sauren Mosel und wissen nicht, was sie reden sollen. Ein wahres Glück, daß der liebe Gott für solche Zwecke das Wetter erfunden hat.
Das interessanteste Wetter erschöpft sich. Es ist bereits halb sieben. Einmal muß es heraus. Kempenich gibt sich einen feierlichen Ruck, faßt sich an die Krawatte und spricht mit hohler Grabesstimme: »Und was ich noch sagen wollte – Sie werden sich vielleicht denken können, warum ich Sie hergebeten habe –« Faletti kann es sich sehr wohl denken.
»Es ist mir natürlich höchst peinlich, darüber zu sprechen –«
Dem Maestro ist es noch weit peinlicher.
»Es handelt sich nämlich um meine Frau – beziehungsweise um die traurige Lage, in die ich geraten bin. Ich möchte mit Ihnen darüber ein offenes Wort sprechen – von Mann zu Mann – verstehen Sie –«
Faletti versteht durchaus. Wie dieser kleine Kanzleivorsteher ihn mit kühler Freundlichkeit auf die Folter spannt! »Wir wollen es kurz machen«, sagt Faletti, »ich weiß, was Sie sagen wollen. Ich gebe zu, es war eine Schlechtigkeit –«
»Oh«, dämpft Kempenich.
»– und stehe Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.«
Kempenich hat die kurze Verbeugung nicht gesehen oder weiß sie nicht zu deuten. »Ich wußte, daß ich mich auf Sie verlassen kann«, konstatiert er freudig.
»Wie gesagt, ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung. Obgleich – Ehrenwort – nichts geschehen ist.«
»Woher wissen Sie das«, fragt Kempenich. »Ich weiß es selbst nicht einmal.«
»Woher ich weiß? Aber bitte, ich weiß doch, was ich tue.«
»Sie? Wieso Sie? Von Ihnen spricht doch niemand.«
»Nein? Ich dachte –«
»Was?«
»Oh – nichts.«
Die beiden merken, daß sie aneinander vorbeigeredet haben. Sie sehen sich an und lachen.
Aber nun hat Kempenich den Faden verloren. Er bestellt eine neue, bessere Flasche. Sie gibt ihm neuen, besseren Mut, löst ihm die Zunge, und nun erzählt er seine Studienreise durch das nächtliche Köln. Er blickt scheu um sich, ob kein Gast in der Nähe sitzt und der Kellner keine langen Ohren macht, und murmelt dem Maestro seine Beichte ins Ohr. Ganz leise. Nur den häufig wiederkehrenden Refrain: »Der Wissenschaft halber«, spricht er laut und überzeugend.
Faletti ist kein Sittenrichter. Er nickt, lächelt, kneift die Augen, kräuselt den Mund, wippt mit dem Fuß, pfeift durch die Lippen und ist ganz bei der Sache. Und als schließlich die Pointe mit dem Fremdenbuch kommt, trommelt er in heller Begeisterung mit den Fäusten auf dem Tisch.
Dem Kanzleivorsteher Kempenich ist nicht nach Lachen zumute. Er erzählt das nicht, um Faletti zu erheitern. »Die Sache ist nämlich die«, doziert er und sticht mit dem Bleistift Löcher in die Luft, »im Fremdenbuch steht Kempenich und Frau. Das ist nicht zu ändern. Meine Frau nimmt Anstoß daran. Und nun habe ich mir etwas ausgedacht. Ich habe davon gehört, daß mitunter leichtfertige Leute im Hotel unter falschem Namen absteigen.«
»Hätten Sie auch tun sollen.«
»Ich? Nimmermehr. Diese Leute nennen sich dann Schulze oder Schmidt oder Meier. Es wäre denkbar, daß sich ein solcher Mensch einmal Kempenich genannt hat.«
»Wunderbar!«
»Mit anderen Worten, ich muß jemanden finden, der die Sache auf sich nimmt – verstehen Sie nicht?«
»Nein.«
»Ich meine jemanden, der zugibt, daß er in Köln mit einer – wie sagt man – Frauensperson – meinen Namen mißbraucht hat.«
Der Maestro hatte längst verstanden. Er wußte auch, worauf es hinauslief. Gerade darum tat er dumm. Aus guten Gründen. Kempenich wird dringlicher. »Also wie gesagt – es sollte sein Schaden nicht sein – und was ich noch sagen wollte – wissen Sie niemanden?«
Faletti weiß keinen. »Inserieren Sie in der Moselzeitung«, schlägt er vor.
Damit ist der erste Angriff abgeschlagen.
Inzwischen ist Abend geworden. Gäste sind gekommen. Durch die Gaststube zieht ein Geruch von gebratenem Fleisch und Zwiebel. Kempenich weiß, was er will. Er läßt eine neue Flasche kommen und bestellt dem Meister ein Filet à la Meyer – es ist das Teuerste auf der Karte – und sich selbst gebackene Leber. Dann bohrt Kempenich weiter: »Im Fremdenbuch sind meine Personalien genau und richtig angegeben. Es kann also nur ein guter Freund von mir gewesen sein.«
»So lockere Freunde werden Sie nicht haben.«
Der ehrbare Kempenich hat auf einmal ein weites Herz. »Locker möchte ich nicht sagen. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß jemand,
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