Heinrich Spoerl
schändlich mißbraucht hat, und wie er sich freue, nach diesen Tagen der Trübsal Aufklärung bringen zu können.
Hedwig kann sich nicht fassen vor Freude. Sie hat es ja gewußt! »Aber nun, meine Liebe, sollst du auch raten, wer dieser Mensch gewesen ist.«
Frau Hedwig will nichts raten, nichts wissen, und hätte Kempenich die Lage richtig erkannt und den Faletti nach Hause geschickt und das Maul gehalten, dann wäre alles in Ordnung und die Geschichte zu Ende. Statt dessen stellt er den unglücklichen Faletti wie eine Holzfigur vor sich hin. »Sieh ihn dir an. Das ist er.«
»Wer?«
»Der das in Köln gemacht hat.«
Hedwig kneift die Lippen zusammen.
»Ich hatte ihn gleich in Verdacht. Gestern Abend habe ich mir den Burschen vorgeknöpft.«
»So.«
»Das war ein schweres Stück Arbeit, mir raucht noch jetzt der Kopf davon.«
»So.«
»Schließlich hatte ich ihn soweit. Er hat mir unter Tränen gestanden.«
»So.«
»Du brauchst nicht immer ›so‹ zu sagen. – Faletti wollen Sie – willst du – beziehungsweise wollen Sie mal erzählen.«
Der Meister nickt traurig und wendet schamhaft das Gesicht; unter den höhnischen Augen der Frau Hedwig bleibt er immer wieder stecken und muß von Kempenich durch einen heimlichen Stoß wieder in Schwung gebracht werden. Es geht keineswegs so glatt, wie man es von einem reuigen Sünder erwarten muß. Übrigens erzählt er die Geschichte auch etwas anders, als sie ihm Kempenich gebeichtet hat. Die alkoholische Gedächtnislücke ist ihm zu dumm und unglaubwürdig. Er schildert mit sachkundiger Phantasie oder mit phantastischer Sachkundigkeit den Fall so, wie er sich seiner Meinung nach tatsächlich zugetragen hat, das heißt so, wie er sich meistens zuträgt. Auf diese Weise wird eine einigermaßen verbotene Geschichte daraus. Kempenich errötet und versucht abzubremsen. Aber innerlich muß er zugeben, daß es so viel wahrscheinlicher und natürlicher klingt. Zudem betrifft es ja nicht ihn.
Besonders ergreifend schildert Faletti sein entsetztes Erwachen am nächsten Morgen, wie er von Reue gepeitscht aus dem Zimmer geflohen und dadurch seiner leichtfertigen Begleiterin Gelegenheit zum Diebstahl gegeben habe, und das wäre weiter nicht schlimm gewesen, aber im Fremdenbuch – als Kavalier habe er natürlich seinen eigenen Namen nicht dazu hergegeben, und am Abend, in der Eile, sei ihm nichts Besseres eingefallen, und da habe er sich gestattet – der Name Kempenich klingt ja auch ganz gediegen – und so sei das dann gekommen.
Hätte Kempenich währenddessen seine Gattin im Auge behalten, dann würde er sich die Fortsetzung dieser hoffnungslosen Szene erspart haben. Statt dessen hielt er es für wichtiger, zunächst einmal programmgemäß eine Schale des Zorns über den Maestro auszugießen. »So, das ist ja unerhört! Sie haben also den traurigen Mut gehabt, meinen unbefleckten Namen und den meiner unschuldigen Frau für Ihre privaten Zügellosigkeiten zu mißbrauchen. Sie! Was fällt Ihnen eigentlich ein? Sie! Ich frage, was Ihnen einfällt!«
Dem bedrängten Faletti fiel gar nichts mehr ein. Er ließ die Unterlippe auf die Krawatte hängen und zuckte bei jedem Kraftwort zusammen. Anton bezog die Schimpfe auf sich und zuckte mit.
Kempenich hatte sich inzwischen heiser gebrüllt und suchte den Übergang zu sanfteren Tönen. »Immerhin, es ist nun einmal geschehen, und da Sie alles eingestehen und gewissermaßen aufrichtige Reue zeigen, werden wir Ihnen vielleicht verzeihen. Nicht wahr, liebe Hedwig? Aber das ist jetzt Nebensache. Jedenfalls siehst du, meine Liebe, welch bitteres Unrecht mir geschehen ist. Es ist mir einfach unfaßlich, wie du mich in dem Verdacht haben konntest – du kannst das nie mehr an mir gutmachen. – Nein, ich will dich nicht mit Vorwürfen quälen, und ich will es dir auch ersparen, dich zu entschuldigen, ich weiß, wir sind Menschen und können alle irren. Ich will auch dir verzeihen. Und jetzt –« Er geht mit ausgebreiteten Armen auf sie zu: »Und jetzt – Was hast du?«
Hedwig ist in die äußerste Ecke des Zimmers zurückgewichen; sie hat für die schauspielerische Glanzleistung ihres Mannes kein Verständnis. Kempenich blickt auf Faletti, der zuckt die Achsel; er blickt auf Hedwig, sieht ihre flammende Entrüstung und lenkt in ein anderes Fahrwasser. »Ich weiß nicht, ob du unsern Freund richtig verstanden hast. Aber wenn du wirklich meinst, daß er uns hier belügt – ich meinerseits kann es ja nicht
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