Heinrich Spoerl
wissen. – Herr Faletti, ich muß schon sagen, das ist eine Flegelei sondergleichen: Erst schänden Sie in Köln unsern guten Namen, dann kommen Sie auch noch und lügen uns die Stube voll –«
Faletti sieht eine kleine Hoffnung. »Wer sagt, daß ich lüge?«
»Sie sehen doch, meine Frau.«
»Woher kann sie wissen?«
Kempenich faßt sich an den Kopf. »Ja, Hedwig, daran habe ich noch gar nicht gedacht, woher kannst du wissen?«
Hedwig rettet sich in unwiderlegbare Frauenlogik: »Woher ich das wissen kann? Das will ich dir genau sagen. Erstens: weil ich es weiß. Und zweitens: weil es dich nichts angeht.«
Rauscht ab. Die Tür knallt ins Schloß.
»Ich verstehe das nicht«, sagt Kempenich.
»Ich auch nicht«, sagt Faletti.
***
Die Muskete war nach hinten losgegangen. Von Versöhnung keine Spur. Aber Hedwig war jetzt im Bilde. Und mehr als das; was dieser Faletti in ungeschminkter Weise von Köln erzählt hatte, war offenbar der Sündenfall ihres Mannes. Und nun war auch klar, wie trotzdem der Diebstahl geschehen konnte. Am meisten abgestoßen aber fühlte sie sich durch das Lügenkomplott, das ihr Mann ihr vorgeführt hatte.
Der Ehekrieg kam in ein neues, verstärktes Stadium.
Dies fand zunächst seinen symbolischen Ausdruck darin, daß Frau Hedwig aus dem vergrößerten Hochzeitsbild ihre Figur herausschnitt. Übrig blieb der bräutliche Kempenich mit einem Stück ihres zärtlich eingehakten Armes.
Kempenich sann auf Rache. Am nächsten Tage war seine eigene Figur ebenfalls herausgeschnitten. Übrigblieb der leere Rahmen. Die einzige Verbindung zwischen den Ehegatten war Anton. Das gab ihm eine besondere Stellung, und er wäre kein Dackel gewesen, wenn er das nicht weidlich ausgenutzt hätte. Er war der Nutznießer des häuslichen Krieges und spielte die Parteien gegeneinander aus. Tagsüber, wenn Herrchen im Dienst war, wich er nicht von Frauchens Seite, als wenn es nichts anderes auf der Welt für ihn gäbe. Abends kam er freudewinselnd zu Herrchen gelaufen und tat, als habe er den ganzen Tag getrauert. Bei den Mahlzeiten pendelte er zwischen den beiden hin und her und ließ sich von jedem füttern, als wenn der andere ihn verhungern ließ. So wurde er im Wettbewerb verwöhnt und war anerkannter Herr des Hauses. Er durfte alles. Auch das, was er nicht durfte: Pantoffel anknabbern, ins Bett kriechen, dem Milchmann die Hosen zerreißen.
Manchmal allerdings fühlte er sich vernachlässigt. So zum Beispiel, wenn Frau Hedwig Kaffeekränzchen hatte.
Kaffeekränzchen war jeden Mittwoch und ging die Reihe um. Es wirft bei dem, der dran ist, lange Schatten voraus und beginnt mit Großreinemachen. Die Kaffeedamen haben scharfe Augen, besonders für andere. Bei Apothekers hatte einmal der Kanarienvogel keinen frischen Sand, und ein paar Tage später stand in der Moselzeitung die Briefkastenfrage: Wie pflege ich meinen Vogel? – Nach dem Großreinemachen kommt das Großbacken. Man will zeigen, daß man es kann. Außerdem werden beim Bäcker die kompliziertesten Torten bestellt. Man will auch zeigen, daß man es hat.
Die Maria ist ein Kapitel für sich. Frau Hedwig läßt es sich nicht nehmen, sie eigenhändig zu frisieren und das grünblonde Eifeler Haar mit Klettenwurzelöl zu bändigen. Sie hätte der Maria gern ein Häubchen aufgesetzt, wie es Amtsgerichtsrats Lina hat. Die Maria ist ein todguter Kerl, aber ein Häubchen will sie nicht. Das trage sie nicht einmal Nachts. Dafür hat Frau Hedwig etwas anderes ersonnen, einen Servierhandschuh, der eigentlich kein Handschuh, sondern wie ein kleines, mit reichem Feston gearbeitetes Steckkissen aussieht und sich durchaus dazu eignet, Marias rote Reibeisenhände zu verbergen.
Vormittags um zehn steht die Nervosität bereits auf Siedehitze. Frau Hedwig rast, die Maria rast, Anton rast mit und wird angeschrien, das Mittagessen wird beinahe vergessen und findet verspätet in Gestalt von Spiegeleiern und Bratkartoffeln statt. Dafür prangt um zwei Uhr ein unerhörter Kaffeetisch, um drei Uhr werden Stühle und Kaffeelöffelchen zum zwanzigsten Male zurechtgerückt, und Glockenschlag vier, wenn ein aufregender Kaffeeduft durchs Haus zieht, rücken die Kaffeedamen an. Sie sind vollzählig und pünktlich beisammen. Abwesenheit ist gefährlich. Man setzt sich in einer sorgsam ausgetüftelten Tischfolge, die das Ergebnis schlafloser Nächte ist, und das Gespräch beginnt zunächst damit, daß das Übliche bewundert wird: der Kaffee, der Kuchen, die häusliche
Weitere Kostenlose Bücher