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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Richtung frei. Dicht an Derendorf vorbei fahren die Autos an und biegen um die Ecke. – »Können Sie mir vielleicht sagen, wo das Polizeipräsidium –« Erst nach einer ganzen Weile bekommt er eine flüchtige Auskunft und rettet sich auf den Gehsteig. – Der kann ja auch nicht wissen, daß mich der Polizeipräsident zu sich gebeten hat.
    ***
    – Zimmer 221. Auf einem Stuhl, neben einem kleinen Tischchen, duselt der uniformierte Vorzimmerbeamte.
    »Ich bin Wachtmeister Derendorf.«
    »Ja und?«
    »Ich soll mich beim Herrn Polizeipräsidenten melden.«
    »Der Herr Polizeipräsident hat Sitzung!«
    »Ich bin auf siebzehn Uhr vorgeladen.«
    Den Vorzimmerbeamten kümmert das nicht.
    Derendorf steht unschlüssig mitten im Zimmer: »Wird es noch lange dauern?«
    Der Vorzimmerbeamte mustert ihn: »Sind Sie der Wachtmeister Derendorf?«
    »Ach, ist die Sitzung meinetwegen?« Derendorf zieht unwillkürlich seinen Rock straff und beginnt, beinahe etwas selbstgefällig, im kleinen Zimmer auf und ab zu gehen.
    ***
    – Hinter der doppelt gepolsterten Tür hat die Sitzung ihren Anfang genommen:
    Ein sehr alter, schon etwas brüchiger Herr, erhebt sich am Kopfende des langen Tisches: »Meine sehr geehrten – öh – Herren! In meiner Eigenschaft als Referent des Herrn Innenministers eröffne ich hiermit die Dings – öh – Sondersitzung betreffend – öh –« Er wendet seinen Stichwortzettel um, kann aber weiter nichts darauf finden und zuckt die Schultern: »Ja –, ich weiß leider auch nicht – um was bitte, soll es sich da bitte – öh – handeln?«
    Am langen Konferenztisch sitzen würdevolle Herren mit Beamtengesichtern und räuspern sich im allgemeinen.
    Der Polizeipräsident mit der Wiedehopffrisur, die bei manchen Leuten nie ausstirbt, und der aussieht, als trüge er eine unsichtbare Uniform, erhebt sich zackig vom Stuhl: »Die Sitzung ist auf allgemeines Ersuchen der verschiedenen Regierungs-, beziehungsweise Verwaltungsstellen einberufen worden. Es handelt sich um den Fall des Gendarmeriewachtmeisters Derendorf. Als Vertreter seiner vorgesetzten Behörde habe ich in dieser Angelegenheit vorzubringen, daß es sich bei dem Zuvorgenannten um einen Beamten handelt, der durch seine besondere Tüchtigkeit schon mehrfach – auffällig geworden ist.« Setzt sich.
    »Sehr – öh – interessant, und dann wollen Sie ihn für eine – Dings – öh – Auszeichnung vorschlagen?«
    Ein vorsichtiger Herr mit hohem Kragen und Stahlbrille: »Ich bin nicht sicher, ob das in diesem Fall das richtige wäre.«
    Ein Herr mit langsamem Gesicht: »Ich möchte darauf hinweisen, daß dieser Derendorf eine gefährliche Intelligenz zur Schau trägt.«
    »Ich – öh – verstehe – Sie wollen damit – andeuten – daß er nicht ganz – ehrlich ist.«
    Ein hagerer Herr mit grauen Schläfen repräsentiert die Staatsanwaltschaft: »Im Gegenteil. Außerdem entwickelt er in seiner Amtsführung einen geradezu beängstigenden Eifer.«
    »Eifrig und – öh – ehrlich und dazu intelligent. Tanzt – tanzt – also etwas aus der Reihe?«
    Ein Dicker mit quellenden Nackenfalten tastet sich vor: »Und nun, Herr Ministerialdirektor, handelt es sich darum, wenn ich es so sagen darf, ob, beziehungsweise wie, respektive was man bezüglich dieses Derendorf unternehmen soll.«
    »Für – oder – öh – gegen ihn?«
    Es entsteht eine peinliche Pause, und die Herren sehen auf ihre leeren Notizblätter. Dann erhebt sich der Vertreter der Staatsanwaltschaft: »Ich stelle fest: Über die Qualitäten des Angeklag – ich meine vielmehr des Wachtmeisters Derendorf – sind wir uns einig. Insbesondere wir bei der Staatsanwaltschaft begrüßen diesen Eifer auf das lebhafteste. Wir erhalten von Derendorf in jeder Woche mehr Strafanzeigen, als von einer normalen Gendarmeriestation in einem ganzen Jahr.« Seine Stimme wird leiser und bedeutsamer: »Meine Herren, das Jahr hat zweiundfünfzig Wochen. Zur Bearbeitung von Derendorfs Anzeigen benötigen wir demnach das zweiundfünfzigfache Personal! Nun gestatte ich mir, darauf aufmerksam zu machen, daß uns ein solcher Beamtenapparat nicht zur Verfügung steht. Auch nicht zur Verfügung gestellt werden kann, weil der Staat nicht die Mittel dazu hat.«
    »Die Akten können Sie in die Regale legen –«, kräht ein altes Männlein mit dem runzlig-roten Gesicht eines Neugeborenen, der Referent für das Gefängniswesen: »Aber wo soll ich mit den zahllosen

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