Heinrich Spoerl
für Ihre Bemühungen. Sie können jetzt gehen. Ich glaube nicht, daß wir Sie noch weiter nötig haben.«
Als Rabanus kopfschüttelnd und leise vor sich hin lächelnd durch das staatsanwaltliche Vorzimmer hinausgehen wollte, traf er dort auf ein junges Mädchen, das seinem verwöhnten Auge angenehm auffiel. Das erste vernünftige Wesen in diesem Affenkasten, dachte er und sah das junge Ding lustig an. Sie sah ebenso lustig zurück.
»Nun, Fräulein, müssen Sie auch zu dem?«
»Mja.«
»Mit dem kriegen Sie aber Freude. Das ist ein ganz Scharfer.« Die Kleine gluckst vor Vergnügen. »Finden Sie? Dann war es sicher wegen der Maulkorbsache?«
»Woher wissen Sie das?«
»Der tut doch nichts anderes.«
»Der sollte lieber weniger wild sein. Mich hätte er am liebsten gleich verhaftet.«
»Och?« Das Mädchen muß lachen. »Sie sehen aber gar nicht so aus.«
»Das hat mich auch gerettet. Trotzdem war er sehr böse auf mich.«
»Dann hatte er sicher Grund«, ereifert sich die Kleine.
»Natürlich hatte er Grund. Ich habe ihn ein bißchen belogen.«
»Pfui.«
»Nicht so hastig, kleines Fräulein. Was meinen Sie wohl, wie schlecht dem da drinnen die Wahrheit bekommen wäre?«
»Das verstehe ich nicht.«
»Das sollen Sie auch nicht verstehen. Es genügt, daß Sie es mir glauben. – Haben Sie noch nie für einen andern gelogen?« Das Mädchen ist ernst geworden und besieht sich die Stiefelspitzen. »Doch – aber das war etwas anderes.«
Sie hatte es ganz leise gesagt, eigentlich nur gedacht; diesen Mann ging es auch nichts an. Aber er konnte so merkwürdig fragen, und nun schämte sie sich. –
»Trude, ich darf wohl bitten!« Staatsanwalt von Treskow steht in der Tür mit Hut und Mantel, nimmt seine Tochter beim Arm und geht, ohne Rabanus' Gruß zu beachten, mit ihr hinaus.
Rabanus schaut hinterdrein.
Ach so.
***
Auf dem Nachhauseweg:
»Papa, wer war der Mann?«
»Welcher Mann?«
»Der von eben.«
»Was soll das?«
»Nichts. Ich meine nur.«
Beim Mittagessen:
»Papa, kommst du gut weiter?«
»Ich glaube.«
»Der Mann ist doch sicher wichtig.«
»Welcher Mann?«
»Der von heute morgen. Was hat er eigentlich ausgesagt?«
»Du weißt, daß ich darüber nicht spreche.«
Am Abend:
»Denk mal, Papa, der hat mir heute morgen alles erzählt.«
»Was hat er dir erzählt?«
»Ich weiß nicht mehr genau. – Was hat er denn bei dir gesagt?«
»Daß er in der Nacht beobachtet hat, wie jemand … Ich glaube, Kind, du willst mich aushorchen.«
»Aber Papa!«
Am nächsten Morgen:
»Papa, ich möchte dich heute nicht abholen. Ich habe Angst, ich treffe den wieder bei dir – Wie heißt er noch?«
»Du meinst den Rabanus?«
»Ja, Rabanus.«
***
Rabanus hatte seinen schlechten Tag. Vielleicht lag es auch an etwas anderem. Er sah mit gekniffenem Auge abwechselnd auf die Leinwand und auf die geduldige Ria, pinselte und kratzte ab und pinselte von neuem. Mariechen Prümper saß wie geprügelt auf ihrem Stühlchen und wagte kaum zu atmen, geschweige einen Laut von sich zu geben. Sie hörte die kurzen Kommandos: Kopf mehr links! Lächeln! Geradeaus sehen! Zuckte zusammen und tat, was man verlangte. Vor allem lächeln.
Die Arbeit ist quälend und hoffnungslos. Das Bild wird immer unglücklicher, grinsender.
Rabanus ist gewohnt zu tun, was ihm Spaß macht. Das hier macht ihm keinen Spaß. Er versteht nicht, warum er es angefangen hat. Was ging ihn dieses Mädchen an?
Er sprang auf, spielte einige Akkorde am Flügel. Ihm fallen ein paar Motive ein, denen er nachgeht. Aber der Bechstein scheint ihm verstimmt; es ist ein altes Instrument, bei dem die Stimmnägel noch in Holz gebettet sind. Er nimmt den Stimmschlüssel und stimmt nach. Es ist eine Marotte von ihm, keiner macht es ihm gut genug. Es dauert lange, und er hat heute keine Geduld. Ihm fällt ein, daß er Hunger hat. Er macht sich eine Tasse Tee, umständlich, nach einer eigens von ihm ersonnenen Methode, ißt einige Scheiben weißes Brot, dick mit Butter belegt und mit Salz bestreut, dazu einen Apfel und eine Handvoll blauer Trauben.
Es war eigentlich sein Mittagbrot, aber das war schwer festzustellen. Genau so, wie er schlief, wenn er müde war, aß er auch nach Hunger und Bedürfnis.
Inzwischen war es dämmerig geworden. Er hatte immer noch diese seltsame Unruhe. Ihn gelüstete nach frischer Luft. Er zog sich um, vielleicht ein wenig sorgfältiger als sonst, aber ohne es zu wissen, nahm seinen Mantel und wollte gehen.
»Tue mer denn
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