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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Essig, einer Feile, etwas Glaspapier und einem Döschen Schuhwichse.
    »Sag mal, bist du närrisch?«
    Man kann von Trude eher das Gegenteil behaupten. Sie nimmt sich den Maulkorb vor und macht mit der Feile die scharfen Lederkanten rund, reibt mit Glaspapier die glänzenden Riemchen rauh, beizt mit Essig die blanken Teile blind und zerstört mit Wichse die unberührte Sauberkeit. »So, nun sieht er richtig aus. Er riecht zwar nicht nach Hund, aber Papa wird ihn wohl nicht beschnuppern.«
    Frau von Treskow hätte nicht daran gedacht. Trude ist ein patentes Mädel.
    Übrigens scheint sie noch etwas auf dem Herzen zu haben. Sie schmust wie ein Kätzchen um die Mutter, stopft ihr ein Kissen in den Rücken, holt ein Fußbänkchen und weiß nicht, was sie tun soll vor lauter Liebe und Sorge.
    »Nun, sag es schon.«
    Trude druckst und steckt den Kopf weg.
    »Rabanus?«
    Trude schweigt.
    »Was ist damit?«
    »Mutti, den hätten wir nicht hinausschmeißen sollen. Wo er doch alles weiß.«
    »Was weiß?«
    »Das mit Papa und dem Denkmal.«
    »Was ist mit Papa? – Gar nichts ist mit Papa! – Verstanden! – Um Gottes willen, hast du denn dem Rabanus was gesagt?«
    »Im Gegenteil, Mutti, der hat es in der Nacht doch selber gesehen.«
    Frau von Treskow glaubt, das Herz bleibt ihr stehen.
    »Das hättest du mir eher sagen müssen.«
    »Das wußte ich da noch nicht. – Ist aber nicht schlimm, Mutti, der sagt nichts. Der würde eher sterben.«
    »Hoffentlich. – Habt ihr euch heimlich getroffen?«
    »Aber Mutti!«
    Und wird dunkelrot.
    Inzwischen ist die Nachmittagspost gekommen. Frau von Treskow sieht sie durch. Sie stutzt über einen Brief. Dergleichen hat sie noch nie erlebt. Da steht kein Titel auf der Adresse, nicht einmal Herr oder Frau, sogar das ›von‹ ist unterschlagen. Da steht kahl und nackt: Treskow, Und die Adresse ist nicht mit der Hand geschrieben, auch nicht mit der Schreibmaschine. Man hat gedruckte Buchstaben aus einer Zeitung ausgeschnitten und hintereinander aufgeklebt.
    Ein Scherz oder eine Gemeinheit?
    Jedenfalls etwas, über das sich ihr Mann ärgern würde. Sie holt tief Atem und öffnet. Auch der Brief besteht aus einzeln aufgeklebten Zeitungsbuchstaben:
    Herr Staatsanwalt Sie sitzen auf einem Pulverfass und da sollten Sie auch einen kleinen Mann leben lassen sonst könnte es knallen!
    Einer der es gut meint.
    Trude hat ihren Kopf mit hineingesteckt. Sie begreift die Tragweite des Briefes nicht. Vorläufig amüsiert sie sich über die Idee der ausgeschnittenen Druckbuchstaben und überlegt, ob sie ihrer Freundin Agnes nicht auch so schreiben könnte.
    Anonyme Briefe soll man nicht lesen, man soll sie verbrennen. Jeder hat diesen Grundsatz, aber niemand tut es. Kein Schriftstück wird so sicher und sorgfältig studiert und durchdacht wie ein anonymer Brief. Das Mittel ist so dumm und so billig und doch so wirkungsvoll.
    »Sieh mal her, Trude«, sagt Frau Elisabeth, »das ist also der, von dem du glaubst, daß er eher sterben würde!«
    ***
    Referendar Thürnagel war heute schon um Viertel vor zehn gekommen. Das war selbstverständlich ein Versehen. Aber Treskow freute sich darüber und gab ihm zur Belohnung für diesen ersten Anflug von Diensteifer die Maulkorb-Akte zu lesen. Immerhin war ihm der junge Mann zur Ausbildung überwiesen, und schließlich war es auch nicht uninteressant, wie ein unbefangener Sohn des Volkes die Sache auffassen würde.
    Thürnagel studierte die Akte nicht mit überschäumender Begeisterung. Er tat grundsätzlich nichts mit Begeisterung, wenigstens nichts Dienstliches. Er beging sogar die Unvorsichtigkeit, dabei zu flöten.
    »Herr Kollege, abgesehen davon, daß es mich stört, glaube ich nicht, daß eine solche Musikbegleitung Ihrem juristischen Gedankengängen förderlich ist.«
    Thürnagel stoppt die Flöte. Übrigens stieß er gerade auf etwas Amüsantes: die gutsituierte Dame mit der zurückgezogenen Aussage.
    »Herr Kollege, da ist auch kein Grund zum Lachen. Es wäre mir lieber, zu hören, welche Folgerungen Sie aus dieser Aussage ziehen und welche Ermittlungen nunmehr zwangsläufig zur Feststellung des Täters führen.«
    Der Referendar weiß es nicht und hält es auch nicht für wichtig, und als auf einmal der Obersekretär fast ohne anzuklopfen hereinstürzt und die Maulkorb-Akten haben will, weil der Herr Oberstaatsanwalt danach gefragt hat, und alles vor lauter Ober und Maulkorb zappelt und aus dem Häuschen ist, da platzt der dicke Thürnagel mit seinem

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