Heinrich Spoerl
Treskow befreundet?«
»Leider nein. Man könnte eher das Gegenteil behaupten.«
»Soso, das Gegenteil.« Der Oberstaatsanwalt sieht ihm scharf ins Gesicht. »Die von Ihnen angeregte Erhöhung der Belohnung werde ich nicht veranlassen. Schon damit – wie sagten Sie noch – hochgezüchtete Charaktere nicht in Versuchung kommen, bedenkliche Aussagen zu machen.«
***
Zur gleichen Zeit fand in Köln eine bemerkenswerte Versammlung statt.
Elisabeth war nicht die Frau, die untätig zusieht, wenn ein Karren in den Graben fährt. Den Drohbrief von ›einem, der es gut meint‹ hatte sie ihrem Manne unterschlagen. Den Schlafwandler, der über die Dachkante läuft, darf man nicht wecken. Allerdings hatte er bezüglich Rabanus den besseren Instinkt bewiesen. Einen Erpresser hätte sie in diesem Menschen niemals vermutet. Sie wurde irre an sich, und ihr fiel auch nichts ein, wie sie das Unheil abwenden könnte.
So tat sie das, was man in besseren Familien gemeinhin tut, wenn man nicht mehr weiter weiß: Sie berief einen Familienrat. Zehn sind klüger als einer. Ein einleuchtendes Rechenexempel. Und wenn zehn die Verantwortung tragen, fällt auf jeden nur ein Zehntel. Das ist der tiefe Sinn dieser und aller ähnlichen Einrichtungen.
Treskow durfte nichts wissen; er war diesmal Objekt, nicht Mitglied. Infolgedessen fand die Zusammenkunft in Köln bei seinem Bruder, dem Oberregierungsrat, statt. Köln ist außerdem eine angenehme und lustige Stadt. Die märkischen Treskows reisen gerne hin. Berlin kennt man, dort stolpert man über Bekannte. Nach Köln kamen sie vollzählig, leider ohne Papa Piedbœuf, der eine Mittelmeerreise machte. Für ihn erschien Tante Mina, die dreimal verheiratet war und die Klugheit dreier Männer in sich aufgesogen hatte.
Frau von Treskow erstattete Bericht. Die Maulkorbsache und der ehrenvolle Auftrag ihres Gatten war allen bekannt, es hatte in den Zeitungen gestanden, und Herbert war auf dem besten Wege, das Prunkstück der Familie zu werden. Aber dann kam der große Haken: Der Herr Staatsanwalt sein eigener Täter; der Staatsanwalt, der im Begriff steht, sich selbst beim Wickel zu fassen.
Der Erfolg war ein erschütterndes Lachen. Es knallte durch den Salon, die Glasstäbchen der großen Kristallkrone bimmelten lustig mit.
Um Witze zu hören, war man nicht gekommen. Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis die erlauchte Versammlung kapierte. Und dann geschah eine weitere halbe Stunde nichts. Man saß auf den Seidenfauteuils, sah aneinander vorbei, spielte mit Rockknöpfen und Aschenbechern, flocht Zöpfchen aus den Fransen der Tischdecke und begnügte sich im übrigen mit unterdrücktem Räuspern. Was sollte man dazu sagen? Dazu konnte man nichts sagen. Da konnte man nur fragen, und einer tat es auch schließlich: Hat er sich schon erschossen?
»Er weiß natürlich nichts, darf auch nichts wissen. Ich habe bisher alles von ihm ferngehalten, die Haussuchung unterbrochen, den Knopf angenäht, den Maulkorb gefälscht, den Brief unterschlagen. Ich weiß nicht, ob ich es verantworten kann.«
Der Familienrat erteilt wohlwollend seine nachträgliche Billigung und Absolution und fasst einstimmig den Beschluss: Weiterhin Maul halten; es wird schon gut gehen. Die Sache ist nirgendwo besser aufgehoben als bei ihm. Solange man ihn vor sich selber schützt.
Leider hat sie einen weiteren Haken: Rabanus, der Augenzeuge. Beschluss: Kaufen. Wie viel wird nötig sein? Man greift zu den Scheckbüchern.
Elisabeth schüttelt den Kopf: Dieser Rabanus sieht nicht nach Kaufen aus.
Beschluss: Man wird ihm ein Pöstchen verschaffen: Sie sehen sich gegenseitig an. Es sind lauter Leute mit langem Arm und ausgezeichneten Verbindungen, es wird eine Kleinigkeit sein. Was kann der Mann? Hat er hohe Ansprüche?
Die Sache liegt noch ganz anders. Hier ist der Drohbrief; er hat auch schon Besuch gemacht, ist mir nichts dir nichts ins Haus gefallen mit Redensarten und Andeutungen: Er will die Trude!
Die Versammelten sind empört. Hauen mit flammender Entrüstung auf den Mahagonitisch, zischen durch die Zähne. Aber mehr wissen sie nicht.
Inzwischen studiert Tante Mina, klug wie drei Männer, den Brief. Schmutzflecken auf billigem Schreibpapier, statt Handschrift geklebte Zeitungsbuchstaben, unmöglicher Stil. Diagnose: Ein ungebildeter, schmieriger, gerissener Patron. Erpressernatur.
Was soll man mit ihm machen?
Abknallen!
Der Neffe Otto ist jung und tatendurstig und schneidig obendrein. Er wird ihn fordern. Die
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