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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Mühsam an der Wand herumzustehen und sich zu räuspern. Je höher die Stelle, desto höflicher die Manieren. Auch ein alter preußischer Grundsatz. Er bekommt sofort einen Stuhl, sogar einen mit Leder bezogenen, aber in respektvoller Entfernung, offenbar um den Abstand und die geistige Kluft symbolisch auszudrücken.
    Der Oberstaatsanwalt dreht die Besuchskarte in der Hand. »In welcher Angelegenheit?«
    »Darf ich offen sprechen, Herr Oberstaatsanwalt?«
    »Aber bitte kurz.« Er ist ein alter Praktikus und hat seine Erfahrungen mit Leuten, die offen sprechen wollen.
    »Herr Oberstaatsanwalt, Sie kennen den Stand der Maulkorbgeschichte?«
    »Sie meinten Denkmalangelegenheit?«
    »Die amtliche Bezeichnung ist mir nicht geläufig. – Ist Ihnen bekannt, daß in dieser Sache einige – wie soll ich mich ausdrücken – einige Merkwürdigkeiten aufgetaucht sind?«
    »Ich kenne die Akten.«
    »Auch gewisse Gerüchte?«
    »Wollen Sie nicht etwas deutlicher werden?«
    »Ja – etwas. Ist nicht ein anonymer Brief oder eine gewisse Aufsehen erregende Bezichtigung eingelaufen?«
    »Ich habe keine Veranlassung, Ihnen über den Stand der Sache Auskunft zu geben.«
    »Sie wissen, welche Rolle ich persönlich in der Sache spiele?«
    »Ich sagte bereits, daß ich die Akten kenne.«
    »Dann darf ich mir vielleicht in dieser Angelegenheit eine Anregung gestatten?«
    »Bitte.«
    Der Oberstaatsanwalt sieht heimlich nach der Uhr, aber so, daß es der Besucher merken soll.
    Rabanus übersieht es und sagt langsam und vorsichtig: »Aus Gründen, die ich nicht erörtern möchte, dürfte es zweckmäßig sein, das Verfahren so bald als möglich einzustellen.« Er blickt den Oberstaatsanwalt scharf an.
    Dieser bleibt undurchsichtig und rührt keine Miene. »Ob überhaupt, und gegebenenfalls wann wir das Verfahren einstellen, das wollen Sie bitte uns überlassen. – Ist das alles, was Sie mir mitzuteilen haben?«
    »Vorläufig ja. – Zunächst bitte ich um eine kleine Auskunft. Es handelt sich allerdings um eine rein theoretische Frage, was ich hiermit ausdrücklich betont haben möchte. Gesetzt den Fall, bei einer Behörde irgendwelcher Art hätte ein Beamter eine Dummheit begangen, die moralisch nicht allzu schwer wiegt, aber in der Öffentlichkeit peinliches Aufsehen erregen würde. Was würde man tun, um das zu verhindern?«
    »Nichts.«
    »Wenn aber ein Skandal droht mit unübersehbaren Folgen, wenn die Behörde der Lächerlichkeit preisgegeben würde und ihre Autorität auf dem Spiel stünde – würde man auch das nicht verhindern?«
    »Sie scheinen nicht zu wissen, was eine Behörde ist.«
    »Eine mehr oder weniger zweckmäßige Einrichtung zur Erledigung staatlicher Aufgaben.«
    »Deswegen hat sie die Pflicht peinlichster Sauberkeit; darauf beruhen Ansehen und Autorität.«
    »Wenn aber gerade mit Rücksicht auf Ansehen und Autorität eine Ausnahme notwendig wäre?«
    »Es gibt keine Ausnahme. Jede Ausnahme vernichtet den Grundsatz.«
    »Oberster Grundsatz jeder Behörde und ihrer Funktion ist das Staatswohl. Wenn das Staatswohl eine gewisse – Korrektur von Dingen verlangt, die sonst Grundsatz sind, so haben alle Bedenken zurückzustehen. Ein Beamter, der das nicht begreift oder nicht den Mut zu dieser Verantwortung hat, ist kein Diener des Staates, sondern ein Bürokrat, ich möchte sagen – eine Aktenbearbeitungsmaschine.«
    Der Oberstaatsanwalt sitzt wie aus Gusseisen. »Ich breche das Thema ab. Außerdem bin ich keine Auskunftsstelle für theoretische Doktorfragen. – Sie wollten mir noch den Zweck ihres Besuches mitteilen?«
    »Unter diesen Umständen nicht. – Um auf unsern Maulkorb zurückzukommen: Ich sehe, Sie legen großen Wert auf die Ermittlung des Täters. Es ist eine Belohnung von dreihundert Mark ausgesetzt. Lächerlich wenig für eine Sache solcher Bedeutung. Außerdem zwecklos: für dreihundert Mark verrät ein anständiger Mensch nicht seinen Mitmenschen. Das müssen mindestens tausend sein, bei hochgezüchteten Charakteren sogar dreitausend.«
    »Ich verstehe nicht, was Sie damit bezwecken.«
    »Das sollen Sie auch nicht verstehen. Es würde Ihr Gewissen unnötig strapazieren.«
    Der Oberstaatsanwalt lehnt sich in seinen Sessel zurück. »Herr Rabanus, welches persönliche Interesse haben Sie an dieser Angelegenheit?«
    »Gibt es nicht Fälle, wo etwas um der guten Sache willen geschieht?«
    »Kaum.«
    »Sie haben recht. Ganz ohne eigenes Interesse bin ich nicht hier.«
    »Sind Sie mit Herrn von

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