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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Logik ist nicht schlecht. Ein Totgeschossener kann nicht aussagen.
    Die Logik hat ein Loch: wird dieser Rabanus sich abknallen lassen? Ist er überhaupt satisfaktionsfähig? Was ist er? Eine Art Maler? Auf so was kann man nicht schießen, man kann ihm höchstens eine runterhauen, aber dann kommt man vor den Schiedsmann und vors Gericht. Unstandesgemäß und sinnlos.
    Die Alternative ist klar und eindeutig: Trude oder Katastrophe. Die Versammlung kommt allmählich dahinter, man redet laut und gleichzeitig, was sonst in diesem Kreise durchaus nicht üblich ist. Das arme, arme Kind. Auf keinen Fall darf es geopfert werden. Schon der Gedanke ist Verbrechen.
    Obgleich andrerseits nicht zu verkennen ist, daß ein Kladderadatsch bevorsteht für die ganze Familie einschließlich Trude. Es ist keine Freude, einen wegen Majestätsbeleidigung bestraften und davongejagten Staatsanwalt in der Familie zu haben. Trotzdem: Moral bleibt Moral. Die Treskows halten zusammen, und wenn sie alle vor die Hunde gehen.
    Einstimmig ist man dieser Ansicht.
    Immerhin sollte man auch die Meinung der andern achten. Es wäre angebracht, darüber abzustimmen, wegen der Wichtigkeit des Falles. Natürlich geheime Abstimmung.
    Frage: Soll Trude geopfert werden? Ein Kreuz bedeutet Ja. Elisabeth schneidet die Papierchen, verteilt sie, sieht geheimnisvoll gebeugte Köpfe und kritzelnde Krayons, sammelt die Zettel in einer Chinavase, schüttelt und öffnet mit zitternder Hand.
    Der erste: Ja. – Allgemeine Entrüstung.
    Der zweite: Ja. – Zweite Entrüstung.
    Der dritte: Ja. – Dritte Entrüstung.
    Weiter Ja und weiter Entrüstung. Bis zum letzten Ja und zur letzten Entrüstung.
    Das hat man von der geheimen Abstimmung!
    An diese Möglichkeit hat niemand gedacht. Jeder hat auf ein paar Nein-Stimmen der andern gehofft, hinter der man sich hätte verstecken können. Eine einzige Nein-Stimme hätte genügt, um jeden zu decken. Jetzt fühlen sich alle entlarvt, sehen sich gegenseitig vorwurfsvoll an und sind auf einmal sehr, sehr kleinlaut. Sie blicken mit schlechtem Gewissen auf Elisabeth. Wird sie sich dem Spruch der Weisen unterwerfen?
    Sie sagt kein Wort. Sie zerreißt die Zettelchen, streut sie in den Kamin, stellt die Schicksalsurne an ihren Platz und beginnt, sich zu verabschieden.
    Die couragierte Tante Mina fragt: »Was hast du vor?«
    »Ich muß es ihm sagen.«
    »Tu das mal nicht. Man muß nicht gleich entweder – oder. Wer schlau ist, segelt zwischendurch. Verstehst du?«
    »Nein.«
    »Dann Pass mal auf: Du tust, als ob. Du wirst den jungen Mann nett behandeln, hofieren, ihm Aussichten machen und hinhalten, bis Herbert außer Gefahr ist. Dann wird man einen Vorwand finden und ihn wieder ausbooten.«
    »Und das Kind? Wenn sie sich inzwischen in ihn verliebt?«
    Dann wird sie sich wieder entlieben. Donnerwetter noch mal, man liebt nicht zum Vergnügen wie die Tiere und die kleinen Leute. Man weiß, was man der Familie und dem Namen schuldig ist.
    Professor Grau aus Bonn, Treskows Schwager, zerbrach sich tagelang seinen Mathematikerkopf, wieso und warum diese geheime Abstimmung nicht geheim war. Und was man in ähnlichen Fällen dagegen tun könne. Er kam dahinter: Jeder hätte drei Stimmen und drei Zettel haben müssen. Dann hätte jeder, der für Ja stimmen wollte, zwei Zettel mit Ja und einen mit Nein ausfüllen können; die Ja-Majorität wäre gesichert, und trotzdem blieben genügend Nein-Stimmen, hinter die sich jeder einzelne hätte verkriechen können. Er schrieb eine gelehrte Monographie darüber als Beitrag zur praktischen Demokratie.
    Frau von Treskow schrieb etwas viel Praktischeres: Eine Einladung an Rabanus zum Butterbrot. Trude, die im Turnen eine Eins hatte, schlug einen veritablen Purzelbaum. Die Einladung lautete auf nächste Woche Freitag. Einige Tage vorher wird man sie um acht oder vierzehn Tage verlegen. Und dann wird man weitersehen.
    Hinhalten!
    Frau von Treskow schämte sich.
    Vor einem Erpresser braucht man sich nicht zu schämen.
    ***
    Hallo?
     – – –
    Jawohl hier Staatsanwaltschaft. Wer ist dort?
    Wer?
     – – –
    Wenn Sie Ihren Namen nicht nennen wollen, lassen Sie es bleiben. Was wollen Sie denn?
     – – –
    Dreihundert Mark! Stand ja in der Zeitung.
     – – –
    Was sagen Sie? Für dreitausend würden Sie es tun?
     – – –
    Schön, wir werden darüber befinden. – Hallo. – Hören Sie noch? – Hallo? – –
    ***
    Einige Stunden später kamen rote Plakate heraus mit einer

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