Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
Vom Netzwerk:
fettgedruckten
    3000
    Sie hingen an Plakatsäulen und Bretterzäunen, aber auch in den Kneipen und Kaschemmen. Die Polizei hat Fühlung mit dem Volk und weiß, wo die Leute sitzen, auf die es ankommt.
    In der »Kanon« verkehren keine Räte und Doktoren, sondern Männer der Arbeit mit Mützen und Halstüchern: Rollkutscher, Rheinschiffer, Hafenarbeiter und Hausierer, aber auch Gelegenheitsarbeiter und Pennbrüder, wenn ihnen jemand einen Groschen geschenkt hat.
    An den drei schmalen Holztischen in der engen Wirtsstube ist nicht viel los. Leute, die nachmittags Durst haben, erledigen das im Stehen und drängen sich um den Schanktisch oder lungern draußen im Gang und halten ihr Glas Obergärig in der Hand, stellen es auf das Gesims oder die Treppenstufe. Manche unterhalten sich, teils mit niederrheinischem Phlegma, zu jedem Glas ein Satz, teils mit westlichem Temperament, dann hört es sich an, als ob sie sich zanken. Manche sagen nichts, blicken mit verschwommenen Augen ins Leere und wischen sich von Zeit zu Zeit mit dem Handrücken den Bierschaum aus dem fransigen Schnauzbart.
    An der abgenützten Wandtäfelung hängt das rote Plakat. Niemand kümmert sich darum.
    Nur Rabanus stellt sich davor, tut erstaunt und philosophiert zu den Umstehenden:
    »Dreitausend Mark? Nette Stange Geld für den Quatsch. Verdammt juchhe! Das lohnte sich. Schade, daß ich es nicht gewesen bin. Ich tat mir einen suchen, der mich anzeigt, dann die drei oder vier Monate herunterreißen und das Geld mit ihm teilen. War schon ein Geschäft!«
    Rabanus hat laut gesprochen. Es sollte auch kein Selbstgespräch sein. In diesen Kneipen spricht jeder zu jedem, wie es gerade kommt.
    Rabanus hat dabei unauffällig die Leute beobachtet, muß aber feststellen, daß seine geschäftstüchtige Betrachtung keinen Eindruck macht. Die einen haben nicht zugehört und schwatzen weiter, die andern dösen stumpf über ihren Gläsern.
    Doch! – Da am Tisch sitzen zwei, die stecken die Köpfe zusammen und fangen an zu flüstern. Flüstern ist hier nicht üblich, nicht einmal bei hoher Politik; es muß also was Besonderes sein. Rabanus pirscht sich in die Nähe, spitzt die Ohren und ist zufrieden.
    »Du, Bätes«, sagt der Wimm.
    »Wat is«, sagt nach einer Weile der Bätes.
    Wimms kleine listige Augen leuchten. »Bätes, ich han en Idee.«
    »Loß mich in Ruh«, sagt Bätes.
    »Pass emol upp: Die dreitausend Mark täten uns jut, meinste nit?«
    »Du bis ja jeck«, sagt Bätes.
    »Dat mußte nit sage.« Wimm zeigt mit dem Daumen auf das Plakat. »Wie war dat mit uns zwei?«
    »Wat?«
    »Ich zeig dich an, un du jehs sitze. Wör dat nix?«
    »Drecksack«, sagt Bätes.
    »Nä, ich mein so: Dat Jeld donn mer uns deele. Ich dausendfünfhundert un du dausendfünfhundert.«
    Bätes erwacht langsam aus seinem Halbschlaf und grinst. »Du Doll, dat jeht doch jarnit.«
    »Waröm jeht dat nit?«
    »Ich han et doch jar nit jedonn.«
    Wimm rückt nahe an ihn heran. »Du Aap, dat is auch nit nödig. Du bruchs nur zu donn, als hättste dat jedonn. – Verstehste dat nit?«
    »Nää.«
    »Haste noch nie jeloge?«
    »Nää.«
    »Dat jeht äwwer janz jut. Ich jeh bei de Polizei un sag, du hätts dat am Denkmal jemaht. Un du jehs hin uns sags ja. Kannste ja sage?«
    »Ejaa.«
    Bätes stützt den dicken Kopf mit dem Strubbelbart in die Hände und denkt heftig nach. Resultat: »Wimm, – dat bin ich zu bang.«
    »Du Jeck, da is auch wat bei! Denk emal, dreidausend Mark, dat sind dreißigdausend Jlas Bier. Oder sechzigdausend Körnches.«
    »Enää«, rechnet Bätes, der Kinderreiche, »dat sind zweidausend Höskes oder dausend Zentner Kartoffele.« Er versucht, sich den Berg vorzustellen. Ihm wird schwindlig.
    Das ist das Geheimnis der großen Zahl, daß sie unfassbar, unvorstellbar ist. Dreitausend Mark sind ein unübersehbarer Reichtum für den, der sein Leben nach Groschen rechnet. Vor dreitausend Mark verblassen alle Bedenken. Schon um einen geringeren Preis als einen Berg Kartoffeln sind Tugenden gefallen.
    »Du, Wimm.«
    »Wat denn?«
    »Ich han noch en janz andere Idee.«
    »–? –«
    »Mer mache dat jenau umjekehrt: Ich zeig dich an, un du jehs sitze.«
    »Nä, Bätes, dat is nix.«
    »Waröm is dat nix?«
    »Ich muß doch dat Jeld verwahre. – Un dat Sitze kanns du besser. Du häs ene dickere Popo.«
    Am Abend war beim Goll Atelierfest.
    Goll war ein guter Freund von Rabanus und hauste in der Akademiestraße. Sein Atelier war nicht leicht zu finden. Man ging durch

Weitere Kostenlose Bücher