Heinrich Spoerl
mit unheimlichem Instinkt draußen vor dem Dachfenster in der Regenrinne die Flasche Beaujolais gefunden, die Rabanus und Trude sich für ihren heimlichen Privatbedarf versteckt haben, und will sie nicht mehr hergeben und setzt sie zur Vermeidung von Weiterungen kurzerhand an den Kopf und ahnt nicht, welche Kostbarkeit er in sich schüttet.
Eigentlich sollte man es nicht sagen, daß die Trude mit dabei ist. Es schickt sich nicht, es ist keine Gesellschaft für die Tochter des Staatsanwalts von Treskow, und es war ihr auch schwer genug, zu Hause heimlich auszubüchsen. Es wäre auch nicht gegangen, wenn die Billa ihr nicht geholfen und ihr den Hausschlüssel geliehen und ein Kostüm zusammengestoppelt hätte; keineswegs Südsee, sondern genau das Gegenteil und eben deshalb ein ungeheurer Effekt: Alte Mohn mit Kapotthut und Schleier. Rabanus hatte sich lange gesträubt, sie mitzunehmen; aber sie wollte zu gern mal so was sehen, nur ein kleines, halbes Stündchen, bitte, bitte, und selbstverständlich inkognito. So hat sie ihren kleinen energischen Kopf durchgesetzt. Auf solch einem Atelierfest kann jeder mitbringen, wen und was er will, niemand kümmert sich darum. Und nun ist sie da und mitten dazwischen, die tapfere, lustige Trude, wird nach Art hungriger Modelle liebevoll gefüttert und ist gar nicht zimperlich und macht brav alles mit. Rabanus hat seine helle Freude daran; mit der kann man Pferde stehlen.
Die kleine halbe Stunde ist längst vorbei. Es wird immer lauter und lustiger. Zwei führen Balitänze auf mit Küchenmessern als Schwerter, die Gitarre ist außer Betrieb, weil jemand hineingetreten hat, irgendeiner muß heimlich Schnaps in die Bowle gegossen haben, es geht ziemlich zwanglos zu, die wohlerzogene Trude weiß nicht mehr recht, wo sie hinsehen und nicht hinsehen soll. Eigentlich ist es Zeit für sie. So meint Rabanus. Aber vorher will er noch einen glanzvollen Jux anstellen. Er hat seinen übermütigen Tag und auch allen Anlass dazu. Und eben ist ihm ein Einfall gekommen, den er nicht mehr los wird. Er steigt auf eine Kiste, erfuchtelt sich mit den Armen ein mühsames Silentium und proklamiert:
»In zehn Minuten steigt der Glanzpunkt des Abends, die große Riesen-Spezial-Gala-Festvorstellung! Die besten Humoristen der Stadt in garantiert echten Originalkostümen haben ihr persönliches Erscheinen zugesagt! Wir bitten um Stimmung. Applaus! Noch nie dagewesen! Zum ersten und einzigsten Male!«
Wer wird das sein? Die Kunstgewerbler? Akademieschüler? Man klatscht im voraus.
Inzwischen ist Rabanus heimlich verschwunden und hat unten in der Kneipe ein bemerkenswertes Telephonat:
»Ist dort die Kriminalpolizei? – Hier ist jemand, der Ihnen einen guten Wink geben kann. – Jawohl, derselbe. – Bearbeiten Sie die Maulkorbsache? – Dann schicken Sie schnell einige Beamte in das Atelier Goll, Akademiestraße siebzehn, vierter Stock.«
Rabanus hört am Telephon, daß sein Gespräch wie eine Bombe in die verschlafene Kriminalpolizei einschlägt. Er hört Rennen, Rufen. Jetzt wird es Zeit. Mit drei Sätzen ist er wieder im Atelier, packt sich seine Trude und will mit ihr verschwinden. Trude bettelt, sie will noch ein bisschen bleiben, noch zehn Minuten, oder wenigstens bis die angekündigten Humoristen kommen. Rabanus kann ihr das nicht so schnell erklären, außerdem ist ihr Mantel weg, ein Witzbold hat ihn versteckt, und ohne Mantel kann sie in dem Kostüm nicht über die Straße. Und als sie glücklich soweit ist und mit Rabanus aus dem Atelier schlüpfen will, hört man bereits den schweren Takt etlicher Polizeistiefel die Treppe heraufkommen. Man muß zurück.
Ein kurzes, derbes Klopfen. Die Tür springt auf, die Polizei marschiert ein in das tobende Atelier.
Die Festvorstellung beginnt:
Und nun ist es genau umgekehrt wie sonst. Man hält die echten Polizeibeamten für eine wohlgelungene Maskerade und benimmt sich dementsprechend, man empfängt sie mit Applaus und Freudengeheul. Die Musik dröhnt einen Tusch, man bewundert die fabelhaften Kostüme und die glänzend geratenen Masken und erwartet, daß sie sich jetzt in Reihe formieren und ein Couplet singen.
Das tun die Männer aber nicht. Sie spielen ihre Rollen mit erstaunlichem Ernst, sie fragen nach den Namen und durchwühlen Schrank und Kisten, verziehen keine Miene und verstehen merkwürdigerweise gar keinen Spaß; sie wollen keine Bowle und keine Butterbrote, sie lassen sich von den Mädchen nicht küssen, nicht einmal die Barte
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