Heinrich Spoerl
womit ich einen derartigen Mangel an Vertrauen verdient hätte. Wenn ich den Täter ermitteln und zum Geständnis bringen konnte, dann werde ich auch in der Lage sein, seine Aburteilung durchzusetzen.«
Der Oberstaatsanwalt hat ihn scharf beobachtet und lenkt ein: »Ich glaubte, in Ihrem Interesse zu handeln. Aber wenn Sie der Sache so gegenüberstehen, wie ich mich jetzt erneut überzeugt habe, dann soll es mich aufrichtig freuen.«
***
Der Tag des Gerichtes war gekommen.
Dem Bätes war die Untersuchungshaft gut angeschlagen. Er hatte nie im Leben so viel und so gut zu essen bekommen. Bei ihm zu Hause ging alles in elf Teile. Hier hatte er seinen großen Napf für sich allein und konnte nachbestellen, so oft er wollte. Und wie nett sie alle zu ihm waren, die andern und der Aufseher. Er war schnell dahinter gekommen: Er war etwas Besonderes, ein »Politischer«. Das ist viel. Allmählich glaubte er an sich und seine Sendung. Jeder glaubt an sich. Aber er wurde nicht stolz, er blieb leutselig und volksverbunden.
Auf die Nerven ging ihm lediglich die ungewohnte Ruhe des Gefängnisses. Es war ein völlig kinderloses Gebäude, und eine Änderung stand nicht in Aussicht.
Zur Feier der Verhandlung wurden ihm seine Zivilkleider zur Verfügung gestellt. Das ist üblich und richtig. Wer vor Gericht steht, ist noch kein Sträfling und soll nicht durch äußere Attribute vorbelastet erscheinen. Bätes hatte dafür kein Verständnis. In der blauleinenen Anstaltskluft kam er sich weit heroischer vor als in seinem ausgeleierten Sonntagsstaat. Einen schönen gestreiften Gummikragen bekam er mit Zustimmung der Gefängnisverwaltung von einem Zellennachbarn geliehen. Er wußte, was sich für einen Mann von Bedeutung ziemt.
Die Justizverwaltung wußte es auch. Wegen des zu erwartenden Andranges war die Verhandlung im Schwurgerichtssaal angesetzt. Es war nicht nur der größte, sondern auch der dunkelste Saal, und deswegen besonders feierlich. Alles war ausbruchsicher angelegt, die hoch liegenden Fenster, der dunkle Zuführungsgang für die Angeklagten, und das massiv umbaute Armsünderbänkchen. An der Längswand hing ein von Cornelius gemaltes und im Baedeker mit Sternchen bezeichnetes Triptychon, das den Himmel, die Hölle und das Fegefeuer darstellte und an dieser Stelle eindringlich die engen Beziehungen zwischen irdischer und himmlischer Gerechtigkeit dokumentierte.
Bätes hatte vom Schwurgerichtssaal schon gehört. Wimm war dort Stammgast und ging besonders gern im Winter hin, wenn er warm sitzen und eine kostenlose Unterhaltung haben wollte. Von ihm wußte er, hier kamen die dicken Sachen vor, hier flogen die Jahre »Z« den Leuten nur so um die Köpfe. Dem Bätes wurden die Knie weich.
Als er hineingeführt wurde, war schon alles versammelt. Man hatte auf ihn gewartet. Er fand ein ausverkauftes Haus. Die Leute auf den Bänken reckten die Hälse, wisperten und stießen sich an; vorn am Pressetisch saßen geschäftige Herren und begannen sogleich zu schreiben. Alles für ihn.
Ganz vorn auf der Zeugenbank saß der Wimm, fahl vor Neid und Habgier. Bätes übersieht ihn ostentativ. Es ist nur ein simpler Zeuge; aber er, der Bätes, Kernpunkt dieser Veranstaltung. Von seiner Estrade herab begrüßt er sein Volk mit einem wohlwollenden Winkewinke und wird zur Ordnung gerufen. »Was machen Sie denn da? Wenn Sie sich nicht benehmen können, sperre ich Sie drei Tage ein.«
Bätes zuckt zusammen und merkt auf einmal, daß das Gericht nicht nur aus ihm und seinen Zuschauern, sondern vor allem aus dem hohen Gerichtshof besteht. Auf einem Podest, das noch ein ganzes Stück höher ist als sein eigenes, steht eine endlos lange, leicht gekrümmte Theke mit einem grünen Tuch, das bis auf den Boden hängt, damit man die Beine des Gerichts nicht sehen kann. Und dahinter sitzen fünf schwarze Männer, dazu Staatsanwaltschaft und Gerichtsschreiber und Referendare und anderer schwarzgekleideter Zubehör. Und alle machen schwarze, undurchdringliche Gesichter und sehen ihn mit gerunzelten Augen an. Es wird ganz still. Man hört Aktenblättern und Federkritzeln.
Dem Bätes ist es unheimlich. Fünf gegen einen, denkt er. Wenn jeder von ihnen ihm nur drei oder vier Monate aufbrummt, das gibt zusammen – ojottojott. Er hat sich das als eine Art lustiges Theater vorgestellt, bei dem er den Helden spielt. Nun sieht er, in welche Maschinerie er geraten ist. Ein Glück, daß links oben am Ende des langen Tisches wenigstens der eine sitzt, der
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