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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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kriegt das viele Geld. Dafür kann der Wimm auch was tun. Mag der Wimm hier die hohen Herren belügen; er, der Bätes, will eine reine Weste haben und hält sich säuberlich dumm. Kein Wort ist aus ihm herauszuschlagen. Er wiederholt immerfort:
    »Ihr müßt der Wimm frage. Der Wimm weiß Bescheid.«
    Der Fall ist ungewöhnlich. Einen Täter, der mit der Sprache nicht heraus will und sich auf den Belastungszeugen beruft, das hat man noch nicht gehabt. Das Gericht flüstert und ist auf den Zeugen Wimm gespannt.
    Vorher wird noch der Schutzmann vernommen, der morgens als erster am Denkmal war und den Tatbestand feststellte. Weiter weiß er nichts. Man hat ihn dennoch geladen. Zu einer ordentlichen Strafverhandlung gehört ein schwörender Schutzmann, das gibt der Sache Wucht und Ansehen.
    Solch ein Schutzmann kommt in Helm und Festtagsuniform mit prallen Nähten, glänzendem Lederzeug und knarrenden Stiefeln, knallt die Hacken und kann die Eidesformel besser als der Vorsitzende. Seine Aussage beginnt: An dem fraglichen Tage … Das Weitere steht in seinem Notizbuch.
    Dieser hier tut ein übriges. Er schildert mit tönender Wichtigkeit, welch ergreifenden Eindruck der Maulkorb an Allerhöchster Stelle auf ihn gemacht habe, und wie sich immer mehr Menschen ansammelten, und er nichts tun konnte, um ihnen den Anblick zu ersparen.
    »Warum haben Sie das Ding nicht einfach heruntergenommen?« fragte ein Beisitzer, es ist aber nicht der Prädikatsassessor.
    Der Schutzmann ist durch die Zumutung tiefst erschüttert und schnappt nach Luft. »Ja, dann wäre doch alles – dann wäre ja gar nichts –« Er kann sich nicht vorstellen, was dann wäre.
    Der Vorsitzende vermittelt. »Die Frage liegt wohl etwas neben der Sache. Über die Täterschaft wissen Sie nichts?«
    »Nein. Aber die Tat ist dem Angeklagten durchaus zuzutrauen.«
    »Kennen Sie ihn?«
    »Das nicht. Aber das sind die Elemente, die vor nichts zurückschrecken.«
    Und dann kommt Wimm der Zeuge. Es war ihm nicht nach der Mütze, daß er draußen warten mußte. Nun weiß er nicht, was der Bätes gesagt hat, und sieht ihn fragend an. Bätes nickt ihm zu. Also ist die Luft rein. Wimm schlängelt sich nach vorn und legt sogleich los: »Ich un der Bätes, mir käme da vorbei, da trat der Bätes auf wat Weiches, dat war ne Maulkorb, und da sagt der Bätes, wat solle mer damit mache, un da sag ich: nix, und da sagt der Bätes: endoch, un jing am Denkmal un macht der Maulkorb dran fest, un ich jing laufe, ich wollt nix damit zu donn han.«
    »Warten Sie, bis Sie gefragt sind«, unterbricht der Vorsitzende. »Sie werden zunächst den Zeugeneid leisten.« Wimm erhält die übliche Belehrung, er hört von Meineid und Sünde und Hölle und Zuchthaus; dann muß er die Hand in die Höhe halten und nachsprechen, und alle stehen auf.
    Daran hat er nicht gedacht, daß er ans Schwören kommt, wo der Bätes doch alles eingestanden hat.
    »Sprechen Sie nach: Ich schwöre –«
    »Verzeihung, Herr Präsident, jeht dat nit auch ohne Eid?«
    »Nein. Sprechen Sie nach: Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen –«
    »Verzeihung, Herr Präsident, wenn ich aber nit richtig dran jlaub?«
    »Das macht nichts, wenn Sie nur richtig ans Zuchthaus glauben. – Also bitte: Ich schwöre –«
    Dem Wimm tropfen die Worte schwer und heiß wie flüssiges Blei aus dem Mund. Alle setzen sich wieder. Nun kann es losgehen.
    Es geht nicht los. Wimm ist stumm wie ein Fisch. Er muß immer ans Zuchthaus denken.
    »Wollen Sie gefälligst anfangen? Sie kamen in der Nacht über den Marktplatz, nicht wahr?«
    Wimm schweigt weiter.
    »Schön. Und da haben Sie beobachtet, wie der Angeklagte – Also bitte!«
    »Jott, wat heißt beobachtet? Da hatt ich eijentlich jar keine Jrund för, wat jroß zu beobachten.«
    »Also meinethalben gesehen, zufällig gesehen, ist ja gleichgültig. – Und was haben Sie gesehen?«
    »Eijentlich nit viel, sozusage.«
    »Viel oder wenig – wir wollen wissen, was Sie gesehen haben.«
    Wimm wird immer kleiner. »Och, dat war eijentlich nit der Rede wert.«
    »Bitte, was?«
    Wimm ist beinahe im Erdboden. »Ja, Herr Präsident, dat war da son Sach, wie soll ich Ihne dat erkläre?«
    »Nun quasseln Sie nicht. – Sind Sie etwa mit dem Angeklagten befreundet?«
    Wimm tut einen ängstlichen Seitenblick zu Bätes. »Wie mer et nimmt.«
    »So. Das habe ich mir gedacht. Jetzt tut es Ihnen leid, daß Sie ihn angezeigt haben, und Sie wollen ihn herauslügen. Aber damit haben Sie kein

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