Heinrich Spoerl
hätt hä jesag –«
Der Vorsitzende: »Sie haben also gewußt, wen das Denkmal darstellt?«
Bätes: »Jewußt nit viel, Herr Jerichtshof, mit de vierzehn Jlas Bier im Balg un da viele Schabau un jenau nix jejesse.«
Der Vorsitzende: »Sie geben also jetzt zu, die Sache gemacht zu haben, bestreiten aber, in Ihrer Trunkenheit das Denkmal erkannt zu haben? Was haben Sie sich denn dabei gedacht?«
Bätes: »Och, lewen Här, von wejen denke, mit siebzehn Jlas Bier –«
Der Vorsitzende: »Sie müssen sich doch irgendwas vorgestellt haben. Für was haben Sie das Denkmal denn gehalten?«
Bätes: »För wat ich dat Denkmal jehalde hab? Och, Herr Jerichtshof, eijentlich för nix. Vielleicht för sone allejorische Fijur, wie mer se hat. För sone Art Joethe oder wie mer dat nennt.«
Das ist die Wendung.
Durch den Zuschauerraum geht ein Rauschen. Die Presseherren schreiben und kommen nicht mit, die Richter sehen sich verblüfft an. Das hat niemand erwartet, an die Möglichkeit hat keiner gedacht, aber es ist nicht von der Hand zu weisen: Majestätsbeleidigung setzt eine absichtliche, gegen den Landesherrn gerichtete Handlung voraus. Wenn der Angeklagte sich im Augenblick der Tat nicht klar darüber war, wen das Denkmal vorstellt – und das kann man ihm angesichts seines trunkenen Zustandes auch nicht beweisen – wenn er es nur für eine Art Goethe hielt: Bei Goethe ist es keine Majestätsbeleidigung. Bei Goethe ist es bloß grober Unfug.
Urteil: Drei Mark Geldstrafe, durch die Untersuchungshaft verbüßt.
***
Wimm abermals an der Gerichtskasse.
Nun ist es soweit. Er streicht die Belohnung ein und ist blaß vor Gier. Er weiß kaum, wie ein Hundertmarkschein aussieht. Jetzt bekommt er drei Päckchen davon, und jedes hat zehn wohlgezählte Stück. Seine langen Finger zittern.
Aber zwei Schritte hinter ihm hat sich der Bätes aufgebaut, breitbeinig und stark, mit geheftetem Blick und fangbereiten Armen. Es wird ehrlich zugehen mit dem ehrlich verdienten Geld.
Eine Stunde später: Wimm hat sich eingekleidet wie ein Kammersänger und hat zwei Bräute im Arm. Morgen wird er ein Geschäft anfangen, Rechtsberatung, Finanzierung, Pfandgeschäft. Bätes aber läuft wie ein Wiesel mit Paketen durch die Straßen und verproviantiert seine Familie für drei Jahre im voraus. Den Rest bringt er zum Herrn Pastor, »als Notjrosche för de aide Dag.«
***
Rabanus bekam am Nachmittag durch Eilboten eine Einladungskarte.
Sie geben sich die Ehre?
Man dankt für die Ehre. Lieber wird man einen alten Besen fressen.
Als es sieben war, rasierte er sich. Nicht deswegen – warum soll man sich Abends nicht rasieren?
Als es halb acht war, zog er sich an. Nicht wegen der Einladung – bloß, weil er sich einmal festlich sehen wollte.
Und als es von Sankt Lambertus acht schlug, war er auf dem Wege zu Treskows. Nicht weil er hingehen wollte. Sondern um es sich noch einmal zu überlegen.
Als er vor dem Hause stand, sah er weiches, warmes Licht durch die Spalten der Jalousien und hörte gedämpfte Musik und flirrendes Stimmengewirr.
Wenn sie ihm Abbitte tun wollen, darf man nicht unversöhnlich sein.
Die Billa, die ihm den Mantel abnahm, blickte ihn erstaunt an. Ja, mein Kind, dachte er, die Welt ist ein Karussell.
Sobald Trude ihn sah, flog sie auf die Mama. »Mutti, der Vater hat noch schnell den Herrn Rabanus eingeladen. Du sollst nicht böse sein, läßt er dir sagen.«
Elisabeth ist entsetzt. Ihr Mann ahnt offenbar nicht, was für ein Mensch das ist. Aber man darf jetzt kein Aufsehen erregen. Sie läßt sich nichts merken und begrüßt den Gast mit zurückhaltender Höflichkeit. Übrigens macht er, wenigstens äußerlich, eine gute Figur.
Inzwischen ist Trude beim Vater. »Pappi, die Mutter hat noch schnell den Herrn Rabanus eingeladen. Du sollst nicht böse sein, läßt sie dir sagen.«
Staatsanwalt von Treskow ist einigermaßen perplex. Merkt denn seine Frau nicht, was für eine dunkle Existenz das ist? Aber man darf vor den Gästen nichts merken lassen. Er begrüßt den Gast mit höflicher Zurückhaltung. Ein Glück, daß der Mensch sich wenigstens anständig benimmt.
Rabanus wundert sich über den frostigen Empfang. Vielleicht ist das in diesem Hause üblich.
Er sucht Trude.
Trude ist im langen Tüllkleid zur plötzlichen Dame erwachsen und wird von sorgfältigen jungen Leuten umkreist. Sie muß ihn wohl bemerkt haben, denn sie wird jedes Mal ein bisschen verwirrt, wenn er zu ihr hinübersieht. Er tut es häufig
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