Heinrich Spoerl
mich nur erkundigen, wo ich vielleicht –« – »Auskunft ist unten Zimmer eins!«
»Zimmer eins war ich schon.«
»Dann wissen Sie ja, wo das ist.«
Knittel möchte nicht wieder von vorn anfangen. Außerdem hat er es satt. Ist das Dienst am Kunden? Er sucht nach dem Ausgang und irrt über Treppen und Gänge, läuft sich tot, muß zurück und gerät immer tiefer in das Labyrinth. Er kommt irgendwohin, wo die Mauern immer dicker werden und die Fenster kleiner, die Türen feierlicher und die Nummern immer höher. Bei Zimmer zweitausenddreihundertvierundfünfzig, das offen steht, ruft es aus der Tür: »Sie, wo wollen Sie hin?«
»Bitte, wo komme ich hier heraus?«
»Heraus wollen Sie? Ach, kommen Sie doch mal herein.«
Plötzlich hat man Interesse für ihn. Knittel weiß nicht, bei welcher Abteilung er ist, aber hier läßt man ihn wenigstens erzählen. Vier ernste Männer hören ihn an und sind auffallend freundlich: »Sie geben also zu, daß Sie für Ihren Anzug einen Preis erzielt haben, der die festgesetzten Höchstpreise für Altkleider um ein Vielfaches übersteigt. Was haben Sie sich dabei gedacht?«
»Zum Denken war da gar keine Zeit«, verteidigt sich Knittel, »der Mann war in einer so wahnsinnigen Verlegenheit oder tat wenigstens so, und da bin ich drauf hereingefallen.«
Die vier Männer wechseln Blicke. »Verlegenheit? Dann geben Sie also zu, daß Sie bei dem Geschäft die Notlage dieses Mannes ausgenutzt haben, um sich einen wucherischen Gewinn zu verschaffen.«
Knittel geht in die Luft. »Was wollen Sie damit sagen, ich bin kein Erpresser, und ich habe das auch gar nicht gewollt, aber die bleiche Angst hätten Sie sehen müssen. – Mitleid war das von mir, nichts als Mitleid – und dann die Fixigkeit, mit der er aus dem Zuge war, noch ehe er hielt, und weg und verschwunden.«
Die vier wechseln abermals Blicke. »Sie wollen also damit sagen, daß Sie durch Ihren Anzug einen offensichtlichen Verbrecher auf der Flucht begünstigt haben.«
Höchstpreis, Wucher, Begünstigung? Knittel wird steif vor Schreck. Er bekommt kein Wort mehr heraus und sieht sich schon verhaftet und abgeführt.
Aber dann fällt ihm noch rechtzeitig ein, zu welchem Zweck er gekommen ist. Er legt den Kopf zurück und versucht ein hochmütiges Lächeln. »Meine Herren, Sie hätten recht, wenn ich das Geld wirklich bekommen hätte. Aber das ist ja gerade der Witz.« Knittel hebt seine Stimme: »Nichts habe ich bekommen, gar nichts, keinen nackten Pfennig, einen faulen Scheck hat man mir angedreht, jetzt bin ich meinen schönen Anzug los, und darum bin ich hier, daß Sie mir helfen. Dafür ist die Polizei ja schließlich da.«
Die vier Männer sind etwas enttäuscht: »Das ist natürlich etwas anderes. Sagen Sie das doch gleich! Was ist denn los mit dem Scheck, gefälscht? Oder ohne Deckung?«
»Ja eben«, bestätigt Knittel.
»Also was denn von beiden? – Lieber Herr, gehen Sie erst mal zur Bank und stellen das fest und lassen es sich bescheinigen. Und dann kommen Sie noch mal her.«
Knittel sagt »jawohl« und geht. Er ist offensichtlich froh, hier möglichst schnell herauszukommen.
Die vier aber stellen nachträgliche Betrachtungen an:
»Was meinste, ob wir den wieder sehen?«
»Wer war denn das überhaupt?«
»Den hätten wir man gleich sollen hier behalten.«
Knittel tut wie geheißen. Obgleich es ihm entsetzlich peinlich ist, bei der Bank mit einem faulen Scheck zu kommen.
Es ist eine sehr vornehme Bank, auf die der Scheck lautet. Der Kassensaal spiegelt in buntem Marmor, die Schalter prunken in schwerer Bronze, und alles geht gedämpft wie auf Filz, auch die Stimmen. Knittel fühlt sich nicht hergehörig. Er geht an den Schalter für Schecks, läßt zwei Leute vor, um mit dem Beamten allein zu sein, und fragt dann so leise er kann: »Wenn ich Sie einen Augenblick stören darf, ich wollte nur mal hören, wie das hier mit dem Scheck ist.« Er will noch weitersprechen, aber der Herr hinter dem Bronzerahmen sagt »bitte« und drückt ihm ein Nümmerchen in die Hand. »Wollen Sie solange Platz nehmen, Sie werden aufgerufen.«
Knittel muß sich in einen der dicken Klubsessel setzen. Es dauert verdächtig lange. Knittel hält das kleine, klebrige Nümmerchen krampfhaft zwischen den Fingern. Seine Dreihundertsechs kommt nicht. Er hört bereits dreihundertelf, dreihundertzwölf. Er ist böse mit sich. Er hätte die Sache lieber nicht verfolgen sollen; seinen Anzug kriegt er ja doch nicht wieder.
Endlich
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