Heinz Strunk in Afrika
gehörte gemäßigtes Krafttraining lange Zeit zu meinem Alltag, genauer gesagt seit Ende der Achtziger, als die
Koelbel Trainingsforschung
in der Zeitschrift
Hörzu
ganzseitig ihre Produkte bewarb und exorbitanten Kraft- und Muskelzuwachs binnen weniger Wochen versprach. Bizepsumfang: plus 4 – 6 Zentimeter! Brust: plus 8 – 12 Zentimeter! Beine: plus 16 Zentimeter! Schultern, Trizeps, Rücken, zweiköpfiger Armbeuger, Deltamuskel, Trapezmuskel, plus, plus, plus! Die Versprechungen der
Koelbel Trainingsforschung
erwiesen sich zwar als vollkommen haltlos, aber ich gehörte zu den paar Trotteln, die nicht nur die braunen, etwa vier Kilo leichten
Mars-Hanteln
, sondern auch die extraschweren, mit Sand befüllbaren
Omicron-Hanteln
erworben haben. Egal. Es gibt kein wirksameres Anti-Aging als Krafttraining. Und keine wirksamere Vorbeugung gegen Demenz (das Sturzrisiko verringert sich erheblich, Demenzkranke stürzen nämlich dreimal häufiger als Gesunde. Durch Kraftzuwachs verbessern sich Gehgeschwindigkeit, Schritt- und Streckenlänge sowie die Schnelligkeit bei der Übung, fünfmal (!) hintereinander vom Stuhl aufzustehen). Ebenfalls bemerkenswert: Die Drop-out-Rate ist sehr gering. Krafttraining = Antidepressivum
und
Antidementivum.
Da das Nyali Beach über keinen Fitnessraum verfügt, muss ich mir mit der sogenannten
Managerfitness
behelfen oder, wie der Fachmann sagt:
mit Progressivem Ganzkörpertraining mit Eigengewichtsübungen
(Progressive Total Body Workout with Weight Training). Beispiel Liegestütze. Liegestütze sind freilich nicht gleich Liegestütze: Durch Änderung des absoluten, vertikalen, horizontalen, totalen, senkrechten, waagrechten und schrägen Armabstandes in Potenz mit unzähligen Winkelkombinationen bietet dieser Klassiker des Kraftsports in der Summe mehr Varianten, als es Atome im Universum gibt. Kein Scheiß. Nächstes Beispiel Sit-ups: Gerader Crunch, Cross Crunch, Reverse Crunch, V-Sit, Windshield Wiper, Hüftstoß, Lemon Squeezer, Klappmesser, L-Sit, Bodendrücker, Blank, Maikäfer, Hollow Rock – auch hier: Varianten ohne Ende. Kniebeugen, die vergessene Übung, jedoch nach wie vor
die
Grundlage jedes ernstzunehmenden Work-outs, denn keine Übung trainiert mehr Muskelgruppen: Bethake, auch indische Kniebeuge, mit hohem Ausbreitungseffekt, einbeinige Kniebeuge
Pistols
, bulgarische Kniebeuge, eine Mischform aus Kniebeuge und Ausfallschritt, usw. Varianten, bis der Arzt kommt. Viertens: Beugestütz an der Bank (im Hotelzimmer behilft man sich mit Bett oder Stuhl) trainiert dreiköpfigen Armstrecker, großen Brustmuskel und vorderen Anteil des Deltamuskels. Varianten, bis der Arzt nach Hause geht.
In der nächsten, der
blauen Stunde,
tauche ich ab in die Welt der negativen und abgefälschten Wiederholungen, des Splittrainings, der Höchstkontraktion und des Schockprinzips. Merke: Nur wer weit bis in die Schmerzzone vordringt, trainiert effizient: no pain, no gain. Professionelles Muskeltraining steht auf der R-Säule: Reizdauer, Reizdichte und Reizintensität. Entscheidend für den Trainingserfolg ist die Überschreitung des Ausgangs-Energielevels, die Superkompensation.
Nach dem Training fühle ich mich hervorragend, und ich freue mich schon auf den morgigen Muskelkater, denn Schmerzen bedeuten Leben. Bevor es zum Abendessen geht, genehmige ich mir einen Drink. Den habe ich mir verdient! Vor jeder Mahlzeit sollte ein Aperitif stehen. Oder irgendwas anderes, Alkoholisches. Je leerer der Magen, desto schneller setzt die Wirkung ein. Und, vor allem: desto besser. Die Euphorie fühlt sich irgendwie anders an, geiler. Der einzige Ort, an dem man um diese Zeit etwas zu saufen bekommt, ist die Poolbar. Einsame Gäste sind ein Mann und eine Frau Mitte fünfzig. Ein Paar. Ehepaar. Lebensgemeinschaft.
Mann: «Ephesos ist ein Muss.»
Frau: «Ja, wirklich.»
Ach du Schreck, Deutsche, schon wieder. Und was für welche: er, Karottenjeans, unruhig gemustertes kurzärmeliges Hemd, hängeschultrig, akkurat gestutzter Arschbart. Sie, groß, flachbusig, kleiner Buckel mit leicht hervortretenden Schulterblättern, das Gesicht verhangen und blass, lange, spitze, bräunlich verfärbte Zähne.
Wovon träumen Leute, die so aussehen? Fies? Ach was!
Im Laufe eines langen, langweiligen Lebens zusammengewachsen. In allem. Ansichten, Vorlieben, Überzeugungen. Maßvoll. Reiselustig. Umgeben von einer Aura undurchdringlicher, humorfreier Vitalität. Selbst bei sengender Mittagshitze besuchen sie
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