Heinz Strunk in Afrika
reicht’s. Plötzlich huscht der Lurch in einem affenartigen Zahn an mir vorbei und versteckt sich unter der Vitrine. Ach du Schreck, von wegen Plastik, ich werde mir das Zimmer mit einem Reptil teilen müssen, auch das noch. Nun denn. Bestandsaufnahme. Mit dem, was ich am Leib trage, besitze ich: eine Jeans, ein Paar Schuhe, zwei Oberhemden, ein T-Shirt, drei Unterhosen, drei Paar Strümpfe und eine Badehose. Tagsüber ist sowieso nur Badehose angesagt, jeden zweiten Tag Rei-in-der-Tube-Handwäsche.
Das muss reichen.
Modus Operandi: von Empfangshalle aus systematisch den gesamten
Komplex
erkunden. Einer Tafel entnehme ich, dass die Anlage am 12. 8. 1983 vom damaligen Staatspräsidenten Daniel Toroitich Arap Moi persönlich eröffnet wurde. Steve schiebt immer noch Dienst.
«Jambo.»
«Jambo.»
Jambo
scheint hallo zu heißen. Wichtig. Merken.
Gimme hope, Jo’anna, gimme … hope, Jo’anna, gimme hope, Jo’anna …
Das schreckliche Gepfeife kommt irgendwo aus den Untiefen der Halle. Aber woher? Einer von der Putzkolonne muss das Melodiefragment irgendwann aufgeschnappt haben und flötet es seither zwanghaft vor sich hin.
Gimme hope, Jo’anna … hope, Jo’anna, gimme hope, Jo’anna.
Pause. Dann wieder von vorn. Wenn ich ihn mit dem Rest des Songs vertraut machen würde, wäre er erlöst und könnte den nächsten Titel lernen
(Rivers of Babylon)
.
Gimme hope, Jo’anna, gimme … hope, Jo’anna.
Latsch, latsch, latsch. Von wegen Putzkolonne, die Quelle der Kakophonie sitzt in einem Bambuskäfig und ist ein riesiger Kakadu. Als ich einen Finger durch die Stäbe stecke, hackt er nach mir. Blödes FDP -Schwein. Wenn ich hier der Chef wäre, würde der Vogel längst im Keller hängen. Weiter geht die Exkursion.
«Herr Strunk, Herr Strunk!» (Stimme aus dem Nichts, sehr laut)
«Ja?»
«Bitte beschreiben Sie in einfachen, verständlichen Sätzen die Hotelanlage. Beachten Sie, dass der Leser nicht mit einer enervierenden, sich über viele Seiten ziehenden literarischen Abhandlung gequält werden, sondern einfach nur wissen möchte, wie es im Nyali Beach aussieht. Er will es sich
vorstellen
können.»
«Na gut.»
Wenn man die Empfangshalle ganz bis zum Ende durchgeht, führt rechts eine Treppe nach oben ins Restaurant. Auf der linken Seite befinden sich der Gift-Shop (ein Kiosk, wo man allerlei Nützliches für den täglichen Bedarf erstehen kann), ein Tourismusbüro und drei weitere Räume, die leer stehen. Tritt man hinten aus dem Haupthaus, hat man einen wunderschönen Ausblick auf den Indischen Ozean, wenn er denn mal da ist. Zwischen Haupthaus und Ozean liegt der Hauptpool. Er ist mit Kinderplanschbecken, Nichtschwimmerbecken und einer gemütlichen Poolbar ausgestattet. Links, auf einem Hügelchen, befindet sich noch ein zweiter, kleinerer Pool. Verbunden sind der kleine und der große Pool durch einen künstlichen Wasserfall, der vom kleinen Pool in den großen sprudelt. Zwischen großem Pool und Ozean erstreckt sich eine mit Liegen bestückte Wiese, mitten drin zwei kreisrunde offene Hütten (Rondeele oder wie das heißt) mit Bambusdächern. In der linken Hütte werden Kaffeespezialitäten ausgeschenkt, in der rechten isst man mittags Lunch und nachmittags eine Kleinigkeit. Ganz unten, kurz vor dem Meer, ist eine Open-Air-Bühne aufgebaut, wo man nach dem Abendbrot das hoteleigene Unterhaltungsprogramm genießen kann. Sie sieht aus wie eine Muschel und lässt einen an Kurkonzerte denken.
«Herr Strunk, das war sehr, sehr schlecht. Sie sind nichts weiter als ein elender Hobbyautor, aus Ersatzteilen in den Werkstätten von Kleinmeistern gefertigt. Schämen sollten Sie sich!»
«Ja.»
Viertel nach elf. Kein Anruf, keine SMS , kein Nichts. Was ist mit C.? Wo ist er, was macht er, wie geht’s ihm? Kommt er? Aus Angst vor schlechten Nachrichten traue ich mich nicht, ihn zu kontaktieren.
Plötzlich bekomme ich schrecklichen Durst. Durst, der mit Wasser nicht zu stillen ist. Ein Königreich für ein klitzekleines Gläschen.
Caramba, Karacho, ein Whiskey!
Ein Heller und ein Batzen, die waren beide mein, der Heller ward zu Wasser, der Batzen ward zu Wein!
Heute blau, morgen blau und übermorgen wieder!
Schön wär’s. Aber wenn ich jetzt nicht standhaft bleibe, wird mein Untergang noch vor Einbruch der Dämmerung besiegelt sein. Also ab in den Pool, cool down, entspannen, runterkommen, relaxen, chillen, abkühlen. Wieso spannt die Badehose eigentlich so, hat doch sonst immer
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