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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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mich aus dem Haus, und beim Abfahren sah ich Mrs. Hume am Fenster stehen. Ich bedauerte sie. Allein die Arznei, die sie brauchte, ein Mann, war im Rahmen des Nationalen Gesundheitsdienstes nicht vorgesehen.
     

FÜNFTES KAPITEL
     
    Mein erster Anruf bei Nacht war ungewöhnlicher Art. Ich hätte nicht geglaubt, daß nach so vielen Jahren die Greuel des Krieges in Geist und Gemüt so vieler Menschen noch immer an unvermuteten Stellen zum Durchbruch kommen könnten.
    Das Telefon läutete, als ich nach einem anstrengenden Tag im ersten tiefen Schlaf lag. Ein paar Sekunden lang glaubte ich, das schrille Geklingel gehöre zu meinem Traum. Als es gar kein Ende nahm, mußte ich mit dem wie eine schwere Decke auf mir lastenden Schlaf kämpfen, ehe ich zum Hörer zu greifen vermochte. Eine weibliche Stimme redete überstürzt und in panischer Angst auf mich ein. Ich mußte all meine Sinne zusammennehmen, um zu verstehen, was sie sagte. Ihr Mann, rief die Frau erregt, habe sich im Badezimmer eingeschlossen und sei offenbar wahnsinnig geworden. Nachdem ich mir die Adresse zweimal hatte wiederholen lassen, versprach ich, sofort zu kommen, und hängte auf.
    »Brookside Nr. 39«, murmelte ich vor mich hin, während ich mich zum Lichtknopf hintastete. »Brookside Nr. 39.« Wo zum Teufel war nur mein Füllhalter? »Brookside Nr. 39.« Ich mußte mir wirklich angewöhnen, stets Papier und Bleistift am Bett zu haben. Als ich die Feder gefunden hatte, notierte ich die Adresse auf dem Titelblatt des »Medical Journal«. Ich zögerte zwischen meinem alten Hemd und einem frischen und nahm mir vor, Mutter um einen langärmeligen Pullover zu bitten. Schließlich entschied ich mich für meine Pyjamajacke (blau und braun gestreift) mit einem Schlips darüber. Es sah recht merkwürdig aus, aber in der kurzen Zeit brachte ich nichts Besseres zustande, und ich lief hinunter, um das Auto herauszuholen. Gleich darauf mußte ich nochmals ins Schlafzimmer zurück, um das Blatt mit der Adresse abzureißen.
    Es war angenehm, schnell und ohne Behinderung durch die menschenleeren, mondbeschienenen Straßen zu fahren. Ich schnitt Ecken ab, nahm Kurven auf der verkehrten Seite und wachte endlich völlig auf, als die kalte Nachtluft mir ins Gesicht wehte.
    Die Haustür von Brookside Nr. 39 stand offen, und aus der Diele fiel ein schräger Lichtstrahl über den Garten. Auf der Schwelle bemerkte ich die Gestalt einer schlanken Frau, die ihren Schlafrock fest um sich gewickelt hielt.
    »Ich kann nichts erreichen bei ihm«, begrüßte sie mich hastig, und auf ihrem angstvollen Gesicht waren Tränenspuren zu sehen.
    Sie ging mir voran die Treppe hinauf.
    »Er ist im Badezimmer«, fuhr sie fort, »aber er läßt mich nicht herein - seit zwei Stunden versuche ich’s.« Sie schneuzte sich die Nase und zog die Schnur ihres Morgenrocks noch fester an. Wir standen auf dem schmalen Treppenabsatz vor dem Badezimmer.
    Ich lauschte, aber kein Laut war zu hören. Ich setzte mein Köfferchen ab, nahm den Türknauf fest in beide Hände und versuchte so langsam, daß ich hoffte, es werde nicht zu bemerken sein, die Türe zu öffnen. Alles blieb ruhig, nur mein Atem war hörbar, bis die Tür so weit nachgab, daß man gerade eine Messerklinge hätte dazwischenstecken können. Da brüllte jemand wütend aus dem Badezimmer: »Mach das Licht aus, du verdammter Narr!«
    Ich schloß die Türe rasch und hörte: »Duck deinen Kopf, zum Teufel, duck deinen Kopf! So ist’s recht. Man hört nichts von den Deutschen.« Die Stimme sank zu einem verschwörerhaft befehlenden Flüstern ab: »Wenn ich bis drei zähle, gibst du Feuer.«
    Es trat Stille ein. Die junge Frau verkrampfte die Hände und blickte ängstlich nach oben, als erwarte sie den Knall.
    »Eins«, kam es aus dem Badezimmer, mein Herz klopfte.
    »Zwei.« Unten schnurrte irgendwo eine Katze.
    »Drei.«
    Plötzlich wußte ich, was zu tun sei.
    »Was war er beim Militär?« fragte ich rasch.
    »Sergeant«, hauchte sie. »Artillerie.«
    »Feuer!«
    Es war ein mächtiges, laut widerhallendes Gebrüll. Unter der Deckung des Lärms stürzte ich ins Badezimmer, die Türe hinter mir Zuschlagend. Ich spürte, wie jemand neben1 mir zornig schnaufte, und sah zwei helle Augen sich in die meinen bohren.
    »Sergeant«, flüsterte ich, und bei dieser Anrede hielt er den Atem an, »Sergeant, Sie sind verwundet — am Arm.«
    Ich fühlte, wie er sich am Arm hinabstrich. »Das hat nichts zu bedeuten. Wer ist denn das? Johnson?«
    »Jawohl,

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