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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Stimme zuflüsterte: »Madame ist im Schlafzimmer«, ging hervor, daß sie ihrer Herrin sehr ergeben sein mußte. Ich wurde ins Schlafzimmer geführt.
    Madame saß in einem modischen Nachtgewand im Bett und sah so krank aus wie mein kleiner Finger. Als ich eintrat, gewann sie sich ein müdes Lächeln ab und hielt mir eine kraftlose Hand hin. Sie gab vor, auf der Lunge Schmerzen zu haben.
    »Große Schmerzen, Herr Doktor, und manchmal ein Flattern, als versuche ein Vöglein, hinauszugelangen.«
    Ungern, aber vorsichtshalber dazu gezwungen, näherte ich mich dem Bett mit meinem Stethoskop. Mrs. Hume rückte bereitwilligst etwas zurück, um mich zum Hinsetzen aufzufordern.
    »Tief atmen«, sagte ich streng. »Noch einmal, bitte.« Dabei bemühte ich mich, die Augen von ihrer Gestalt abzuwenden, die sie mir mit offensichtlicher Entschlossenheit darbot. Als ich mit der Untersuchung fertig war, erhob ich mich.
    »So, das wäre alles mit Ihrer Lunge, Mrs. Hume, danke«, sagte ich und packte mein Stethoskop wieder ein. Sie schob ihr Nachthemd zu und legte es in künstlerische Falten.
    »Was halten Sie von mir, Herr Doktor?« fragte sie, auf das Kissen zurückgleitend.
    Ich überhörte die Frage und erkundigte mich ohne Hemmung: »Wie alt sind Sie eigentlich, Mrs. Hume?« Sie senkte die Augenlider und zögerte. Dann sagte sie: »Siebenundzwanzig«. Ich ließ ihr die neun oder zehn fehlenden Jahre hingehen. Von Mrs. Little wußte ich, daß sie einen Gatten begraben hatte und vom zweiten verlassen worden war. Wahrscheinlich hatte sie die Kräfte des ersten erschöpft und den anderen dazu getrieben, mit dem, was von seinem Mannestum verblieb, das Weite zu suchen.
    »Was tun Sie denn den ganzen Tag, Mrs. Hume?« fragte ich.
    »Nichts«, antwortete sie. »Ich bin sehr einsam.«
    »Ja, ich weiß«, stimmte ich zu, bedauerte es aber sogleich, als ich sah, wie ihre Augen sich voll Mitgefühl weit öffneten. »Sie müssen auch einsam sein, Herr Doktor. Keine Frau, keine Familie. Nur diese gräßliche Mrs. Little in dem großen Haus.«
    »Ach, ich kann nicht klagen«, erwiderte ich, voller Ärger, weil sie mich in die Enge getrieben hatte.
    »Doch, doch, Sie müssen ja einsam sein, schrecklich einsam. Wollen Sie nicht abends einmal zum Essen kommen?«
    »Sehr freundlich von Ihnen, aber ich habe die Praxis erst übernommen und bin außerordentlich beschäftigt.« Ich zückte meinen Rezeptblock. »Ich werde Ihnen etwas zur Stärkung geben.«
    Sie hatte noch eine Karte auszuspielen.
    »Möchten Sie nicht ein Bild von meinem kleinen Jungen sehen?« fragte sie.
    »Ja, gern«, sagte ich und ging damit ahnungslos ihrer berechnenden Weiblichkeit in die Falle.
    Wie der Blitz krabbelte sie auf Händen und Knien zum Fußende des Bettes. So langsam als sie konnte, streckte sie den Arm nach dem Ankleidetisch aus, wo ihre Handtasche lag, und manövrierte sich dann so umständlich wie möglich ins Bett zurück.
    Im kühlsten, abweisendsten Ton, dessen ich fähig war, sagte ich: »Ich hätte Ihnen die Tasche schon herübergereicht, Mrs. Hume.«
    Sie schien gänzlich unangefochten und zeigte mir die Fotos eines kleinen Jungen inmitten zwanzig anderer eines Internats.
    »Dies ist Philipp«, sie zeigte mit ihrem scharlachroten Fingernagel auf einen Jungen. In ihrer Stimme lag ungekünstelter Stolz, als sie erzählte: »Er ist Primus in seiner Klasse.«
    »Das ist ja großartig«, lobte ich. »Kommt er in den Ferien heim?«
    Sie schob die Fotos in ihre Tasche zurück. »Nein, diesmal geht er zu seinem Vater.« In ihren Augen lag ein trauriger Ausdruck, der ihr angebliches Alter ganz gründlich Lügen strafte.
    Indem sie mir in die Augen sah, hielt sie mir die Tasche hin. »Würden Sie sie bitte an ihren Platz zurücklegen, Herr Doktor?«
    Ich zauderte keinen Augenblick und nahm diese Friedensfahne an. Ich legte die Tasche hin und griff nach meinem Köfferchen.
    »Wenn ich Sie wäre, Mrs. Hume, würde ich jetzt aufstehen.«
    »Ach, das will ich ja sowieso«, sagte sie. »Ich bin auf zwölf beim Coiffeur bestellt. Sie fahren wohl nicht gleich nach der Stadt zurück, Herr Doktor? Ich wäre im Nu fertig.«
    Eine solche Unverfrorenheit war mir wahrhaftig noch nie vorgekommen. Ich schüttelte bedauernd den Kopf und wandte mich der Tür zu.
    »Hab’ mit meinen Patienten viel zu tun«, warf ich kurz hin.
    Sie warf mir einen bittenden Blick zu. »Auf Wiedersehen«, sagte sie dann mit so trauriger Stimme, daß sie mir fast wieder leid tat.
    Die Stundenfrau ließ

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