Heirate keinen Arzt
Klingeln zu fassen.
»Ach, entschuldigen Sie, Herr Doktor«, sagte eine ausländisch klingende Stimme, »aber Mrs. Mannheim hat neununddreißig.«
Anfangs hatte ich immer ein paar Minuten gebraucht, um solche für einen englischen Arzt fremdartig klingenden Botschaften zu enträtseln, jetzt aber wußte ich, daß sie sich auf Temperaturen bezogen, die mit einem kontinentalen Celsiusthermometer gemessen worden waren.
»Gut, gut«, antwortete ich. »In ein paar Minuten komme ich.«
Gähnend schaute ich aus dem Fenster, während ich mich ein wenig aus meinen Bettdecken auswickelte. Draußen sah es dunkel, unfreundlich aus. Und heute sollte ich mit Sylvia eine Fahrt auf der Themse machen. Während ich meinen Gedanken erlaubte, sich rückblickend mit alldem zu beschäftigen, was Sylvia und ich in vergangenen Tagen miteinander unternommen hatten, verbrachte ich angenehme zehn Minuten in der Erwartung Mrs. Littles mit meiner morgendlichen Tasse Tee.
»Sieht nicht gerade gut aus, wie?« fragte sie in ihrem üblichen düsteren Tonfall. »Glaub’ nicht, daß es noch lange hält. Nicht, wenn die Bäume so rauschen wie eben.«
Die Wettervorhersage in der Zeitung, die sie mir ohne Umstände aufs Bett geworfen hatte, lautete: »Trüb, mit vereinzelten Schauern und einigen Aufhellungen.« Ich rief Sylvia an. Sie schlief noch fest, und es dauerte fünf Minuten, ehe ich ein vernünftiges Wort aus ihr herausbrachte.
»Mich aus dem Schlaf zu reißen!« begehrte sie auf.
»Warum hast du bloß jetzt schon angerufen?«
»Ich dachte, wir hätten uns für eine Flußfahrt verabredet.«
»Auf dem Fluß?« Es tönte ungläubig. »Auf was für einem Fluß?«
Ich wartete geduldig und schweigend, während ihr Gehirn mit Mühe die Fäden des Tages zusammensuchte. Plötzlich sagte sie:
»Ach, du bist es! Warum hast du das bloß nicht gesagt. Natürlich komme ich mit dir auf den Fluß. Ich muß ja dafür sorgen, daß meine griechische Bräune nicht gleich wieder verblaßt.«
»Sylvia, hast du aus dem Fenster gesehen?«
»Die Vorhänge sind zugezogen. Die Vögel wecken mich sonst so zeitig auf.«
»Ich hole dich um zehn ab. Recht so?«
»Gut. Soll ich was zu essen mitbringen?«
»Ja, bitte. Ich muß jetzt Schluß machen, ich habe einen eiligen Besuch.« Ich wollte rasch abhängen, damit sie keine Gelegenheit hätte, sich den Himmel zu betrachten und mir abzusagen.
»Du Armer«, sagte sie. »Am Sonntag arbeiten zu müssen!«
Tatsächlich hätte ich es nicht müssen. Phoebe Miller hatte Dienst; aber wenn ein Anruf von einem der chronischen Fälle kam, die wir in Behandlung hatten, versuchten wir es immer einzurichten, selbst hinzugehen, auch wenn wir keinen Dienst hatten, und Mrs. Mannheim war eine alte chronische Bronchitikerin.
Es klopfte an die Schlafzimmertür. Der alte Hodge, der Gärtner, kam in einem weißen, farbbeklecksten Overall hereingestapft.
»Ich hatte eigentlich ein hübsches Primelgelb gewollt, aber Mrs. Little hat gemeint, auf Beige sieht man den Dreck nicht so.«
»Primelgelb?« fragte ich und besah mir die fünf schwarzen Fingerabdrücke auf dem Türrahmen. Seinem Versprechen gemäß hatte Hodge sich eingefunden, um das Sprechzimmer frisch zu streichen.
»Ein hübsches, helles Primelgelb«, erläuterte er.
»Nicht so was Zitronen- oder Kanariengelbes.«
»Können Sie mir ein bißchen davon zur Probe mischen, damit ich selbst sehen kann?
»Ja, kann ich. Dachte, ich wollte doch erst mal fragen. Wußte, daß Sie nicht für Beige sein würden.« Er stupste seinen hornigen Daumen mehrmals bodenwärts und wiederholte: »Hab’ ihr immerzu erklärt, Beige wollten Sie keins haben.«
»Beige!« sagte er nochmals verächtlich im Hinausgehen. Jetzt zeigten sich zehn schwarze Fingerspuren an der Tür. Ich stand auf.
Unten war die Luft geladen. Mrs. Little, bereits gekränkt über meine Verwerfung der von ihr geplanten Zimmerfarbe, wurde vollends verstimmt, als ich ihren Vorschlag, einen Picknickkorb zu richten, ablehnte. Ich erschauerte bei dem Gedanken an das, was er enthalten könnte, und war froh, ihr mitteilen zu können, daß Sylvia das Notwendige für unseren Ausflug mitbringen werde. Nachdem ich mein von Mrs. Little in stummem Zorn serviertes Frühstück verzehrt hatte, ging ich ins Sprechzimmer, um mich mit dem alten Hodge zu beraten. Ich stimmte seiner Gelbmischung zu, erklärte mich mit seinem Arbeitsplan einverstanden, überblickte den schauerlichen Zustand, in den er das Zimmer versetzt hatte, und
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