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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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an, deren Nachtklubaktivitäten täglich Stoff für die Morgenzeitungen abgaben. Er stand im Ruf eines Tunichtguts und Herumtreibers, allein ich war sicher, daß Sylvia dies so gut wußte wie ich. So schluckte ich all die spitzigen Bemerkungen hinunter, die ich hätte machen können. Ich trank meinen Tee aus, holte meine lappige, durchweichte Jacke und sagte, ich gehe jetzt. Ich hatte nicht den Wunsch, mit Wilfred Pankrest zusammenzustoßen, zumal in meinem augenblicklichen wenig salonfähigen Zustand. Einen Abschiedskuß wollte ich Sylvia nicht geben, beschloß ich, damit sie merke, was ich über die Wahl ihres abendlichen Gefährten dachte. - Aber wie gewöhnlich durchkreuzte sie all meine festen Vorsätze, indem sie mich umarmte und mir für den Ausflug auf der Themse dankte. Ich brummte etwas Unverständliches. Da lächelte sie mit ihren Augen und gab mir einen Kuß. Nach einer Weile sagte Sylvia:
    »Wilfred wird gleich hier sein«, und ihre Stimme klang unsicher.
    »Zum Teufel mit Wilfred!« entfuhr es mir, und mein Zorn wallte von neuem auf. Ich riß die Wohnungstür auf, stapfte hinaus und schlug sie hinter mir zu.
    Ich war schon halbwegs die Treppe hinunter, als ich hörte, wie Sylvia mich zurückrief. Einen wilden Augenblick lang dachte ich, sie habe beschlossen, Wilfred sitzenzulassen. Da klatschte etwas vor mir auf die Treppe nieder.
    »Du hast deine Jacke vergessen, Schatz«, rief sie über die Brüstung gebeugt.
    »Danke«, rief ich, bückte mich nach der Jacke und schritt ernüchtert in den Regen hinaus.
     

NEUNTES KAPITEL
     
    Am Pfingstmontag hatte ich die »Mädchen« zu vertreten. Zum Glück brauchte ich keine Sprechstunde für sie abzuhalten, denn der alte Hodge hatte ein unbeschreibliches Durcheinander hinterlassen, und das ganze Sprechzimmer in seinem neuen Primelgelb klebte wie Pech. Doch hatte Hodge mir sein Ehrenwort gegeben, daß am nächsten Morgen alles strohtrocken und in bester Ordnung sein werde, also mußte ich mich wohl oder übel auf sein Versprechen und dasjenige der Farbbüchse verlassen, welche »Schnelltrockenanstrich« verhieß. Bis zehn Uhr früh hatte Mrs. Little fünf Besuche für mich notiert, von denen drei für die »Mädchen« waren. Der dringendste Anruf schien der für Mrs. Collins zu sein, die, wie Mrs. Little meldete, »schreckliche Schmerzen ausstand«. Ich wand mich durch die gefährlich aufgestapelten Möbelstücke bis in die Arzneikammer durch, und es glückte mir zu meiner eigenen Verwunderung, dies ohne primelgelbe Flecken auf dem Anzug zu bewerkstelligen.
    Ob es der gestrige Regen war oder die ungewohnte Menge frischer Luft auf dem Wasser, weiß ich nicht, jedenfalls fühlte ich seitdem Aufstehen eine dumpfe Schwere im Kopf. Während die Spritzen, die ich auf den Gasherd gestellt hatte, kochten, blickte ich mich in der Kammer nach Aspirin um. In den Fächern mit Ärztemustern aller Größen und Verpackungsarten lagen Mittel gegen Magenbeschwerden, Hämorrhoiden, Fußpilz und Rheumatismus, aber kein Aspirin. In der Ecke stand eine große, appetitlich anmutende Flasche mit kirschrotem Hustensirup für Kinder. Ich nahm den Stopfen ab, tat einen langen Zug und fühlte die Flüssigkeit mild durch Speiseröhre und Magen gleiten. Die Behandlung schien meinem Kopf sehr gutzutun. Ich fischte die Spritzen aus dem Wasserbad und verschloß sie in ihre sterilen Behälter.
    Dann suchte ich alles, was ich den Tag über möglicherweise brauchen würde, in mein Köfferchen zu packen, denn ich wollte vermeiden, nochmals durch mein Sprechzimmer zirkeln zu müssen oder die Früchte von Hodges gestrigen Bemühungen zu gefährden.
    Draußen war das Wetter ganz wunderbar. Eine milde Juniluft herrschte. Ein idealer Tag für Themsefahrten oder Landausflüge.
    Durch meinen Kopf schoß ein lebhaftes Bild, das mir Sylvia zeigte, wie sie sich mit Wilfred Pankrest von der Sonne braten ließ. Indes ich der Familie Hill, die eben in ihrem Auto an die See fuhr, ein fröhliches, doch ungefühltes »Guten Morgen!« zurief, schloß ich die Garage auf.
    »Prachtvoll, was?« lächelte Mr. Wentworth, wie er, ein ganz anderer Mann als sonst, ohne seinen festgerollten Regenschirm und seine »Times«, eine Hundeleine über den Rücken geworfen, vorbeischlenderte. Mit seinem schwarzen Jackett und den gestreiften Beinkleidern schien er die Sorgen seiner Bankwelt vergessen zu haben, und aus seinem hellblauen Hemdkragen leuchtete ein jüngeres und glücklicheres Gesicht hervor.
    »Prachtvoll!«

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