Heirate keinen Arzt
erste war ein herzleidender alter Mann gewesen. Meinen Vorahnungen nach kommen stets drei Todesfälle hintereinander. An Schlaf war jetzt kein Gedanke mehr. Ich lag wach und dachte über Percy Slot nach.
ZEHNTES KAPITEL
Das letzte, an das ich mich erinnere, als ich endlich doch einschlief, war der Schimmer des ersten Frühlichts, das blaß durch die Vorhänge drang. Ein Vogel begann zu zwitschern, und ehe die anderen noch einfallen konnten, muß ich weit weg gewesen sein. Als Mrs. Little mit meinem Tee eintrat, fühlten sich meine Lider bleischwer an, und es war mir, als schwebe sie, die Tasse in der Hand, durchs Zimmer auf mich zu.
»Geht’s besser?« erkundigte sie sich.
Ich brummte etwas mit dem einzigen Wunsch, sie möge wieder gehen. Als sie draußen war, trank ich den Tee, in der Hoffnung, daß er das brennende Gefühl in meiner Kehle lindern möchte. Ich streckte die Zunge vor meinem Taschenspiegel heraus, sagte »Aah« und sah, daß ich weiße Tupfen auf den Mandeln hatte. Auf Beinen, die nicht zu mir zu gehören schienen, stolperte ich in die Arzneikammer hinunter, nahm einen großen Schluck des Hustensirups für Kinder zu mir und maß meine Temperatur. Sie war noch höher, als ich erwartet hatte. Ich schrieb auf einen Zettel, den Mrs. Little an die Sprechzimmertür heften sollte, daß heute keine Sprechstunde stattfinde.
Das Bett war kalt, unbehaglich und ekelhaft. Die Falten in der Decke formten sich zu verschiedenen Mustern, je nachdem ich den Kopf drehte. Mrs. Little stieß die Tür mit dem Fuß auf, kam ungeschickt gegen mein Bett und setzte mir das Frühstücksbrett auf die Brust.
»Hier ist ein gutes Stück Bratfisch«, sagte sie. Der fettige Geruch drehte mir fast den Magen um.
»Nehmen Sie’s weg.«
»Beim Schnupfen soll man tüchtig essen... Wer macht denn die Besuche für Sie?«
»Läuten Sie Fräulein Dr. Miller an und erklären Sie ihr, daß ich mich nicht wohl fühle. Bitten Sie sie, für heute meine Besuche zu übernehmen, und bringen Sie um Himmels willen diesen Fisch wieder weg.«
Sie ergriff das Tablett.
»Möchten Sie vielleicht eine Tasse Kakao?«
Ich vergrub den Kopf unter die Decke und schlief wieder ein.
Ich hatte lange Zeit schwer geträumt, als jemand laut an die Tür pochte. Ich öffnete die Augen und sah Phoebe auf mich zukommen.
»Sie antworteten nicht, so kam ich einfach herein«, sagte sie. »Mein Gott, Sie schwitzen ja wie toll!«
»Hoffentlich macht es Ihnen nichts wegen der Besuche«, brachte ich heiser heraus. »Tut mir leid, Ihnen Mühe zu machen.«
»Keine Mühe«, erwiderte sie aufgeräumt und ließ mir die Arzttasche auf die Füße plumpsen. »Mund aufmachen.«
Ich schüttelte den Kopf. Nichts ging mir mehr auf die Nerven, als mich von so einer Frauensperson bearzten zu lassen.
»Na, kommen Sie schon, kommen Sie«, sagte sie.
Es war weniger anstrengend zu tun, was sie wollte, als mit Phoebe Miller zu streiten. So streckte ich ihr die Zunge heraus. Rasch und gewandt untersuchte sie mich, ohne auf meinen Widerstand zu ach- ten, und gab ihre Diagnose ab: akute Follikulartonsillitis. Dann öffnete sie ihre Tasche.
»Ein ordentlicher Schuß Penicillin sollte es im Keim ersticken«, kündigte sie an, indem sie die Spritze herausnahm.
»Keinesfalls!« protestierte ich.
Sie nahm keinerlei Notiz davon und bereitete die Injektion vor. Sie hob die Spritze gegen das Licht, blickte sie von unten herauf an, drückte die Luft heraus und kam dann auf mich zu.
»Ich mache es selber«, sagte ich, da sie nichts abzuhalten schien.
»Gut.« Sie übergab mir die Spritze und begann das übrige wieder einzupacken.
Da lag ich nun, die Spritze ungeschickt in der Hand, und fühlte mich zu elend, mich nur aufzurichten. Warum hatte ich mich nur so aufgespielt! Als sie mit ihrer Arzttasche fertig war, zog sie die Decken über mir weg, rollte mich auf die eine Seite, nahm mir die Spritze ab und stieß mit der Geschicklichkeit, die aus langer Übung erwächst, schmerzlos in das Muskelfleisch. »Danke«, sagte ich.
»Bitte, bitte - und machen Sie sich keine Sorgen wegen der Patienten. Mrs. Little telefoniert ihnen, daß sie sich an mich wenden sollen, und wenn’s Ihnen morgen noch nicht besser geht, kann sie es auch morgen tun.«
»Nein, danke, ich glaube, morgen geht’s wieder. Sehr nett von Ihnen, daß Sie hergekommen sind.«
»Ich hielt es für besser. Sie haben wohl dagelegen und sich eingebildet, Sie hätten Kinderlähmung oder Meningitis.«
»Dran gedacht
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