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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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sie fertig war, blieb sie wieder am Fußende stehen und sah mich an.
    »Ich will lieber warten, bis Mrs. Little zurück ist«, sagte sie, »falls noch irgend etwas nötig wäre. Ich kann ja hinuntergehen, wenn Sie schlafen wollen.«
    Zu meinem eigenen Erstaunen schüttelte ich den Kopf, und sie setzte sich in den Lehnstuhl am Fenster.
    »Sie verstehen sich gut auf Krankenpflege«, sagte ich. Mit ihrem Rücken gegen das vom Fenster einfallende starke Sonnenlicht, saß sie mir gegenüber.
    »Mein erster Mann hatte perniziöse Anämie. Ein halbes Jahr lang hab’ ich ihn gepflegt.«
    Sie entnahm der Tasche, die sie bei sich hatte, eine Strickerei und; arbeitete still daran, nachdem sie erst ihre Maschen oder Reihen abgezählt hatte. Nach einer Weile hielt sie ein und sagte mit einem Blick auf ihr Strickzeug:
    »Als kleines Mädchen wünschte ich mir, Krankenschwester zu
    werden, wenn ich einmal groß sei. Aber mein Vater hatte es anders mit mir vor. Ich bin von sehr einfacher Herkunft. - Mein Vater fuhr einen Lastwagen. Als ich noch ganz klein war, sah mir Vater einmal im Hinterhof zu, als ich tanzte, bei einem Tanz, den ich mir selbst ausgedacht hatte und zu dem ich ein Liedchen sang. Die nächste Woche schickte er mich auf einen Kinderwettbewerb in unserer Music-Hall. Mutter wickelte mir die Haare mit Zuckerwasser auf, und ich tanzte und sang mein Liedchen. Ich bekam den ersten Preis, und danach ging es immer weiter voran mit mir. Mit achtzehn war ich Choristin im Windmilltheater und wußte bereits seit mehreren Jahren, daß ich mich nur ein wenig zu drehen brauchte, damit die Männer angelaufen kamen. Das war’s, was Vater wollte. Für einen Lastwagenchauffeur war er recht ehrgeizig!
    >Nur immer so weitergemacht, Mädchens pflegte er zu sagen, >und laß dir von den kleinen Fischen bloß nicht imponieren. Irgendwann fängst du dann schon mal einen fetten Karpfen.< Nun, ich fing richtig meinen Karpfen. Er war nahe an die Sechzig und recht vermögend, und nach einem Jahr starb er. Dann verliebte ich mich. Ich wußte wohl, daß Sandy durch und durch verderbt war, aber ich liebte ihn. Fünf Jahre brauchte er, bis er meinen letzten Heller durchgebracht hatte, dann lief er mit einem Mädchen davon, mit dem er anscheinend schon jahrelang ein Verhältnis gehabt hatte. Ich war fünfundzwanzig und stand nun allein mit Philipp da. Zum Glück hatte mein erster Mann einen Teil seines Geldes in einer jährlichen Rente angelegt, die niemand antasten konnte, darum ging es uns nicht schlecht. Eine Zeitlang steckte ich Philipp in eine Kinderschule und wurde wieder Choristin, aber ich fand, daß der alte Glanz sich verflüchtigt hatte. Ich denke, das Geld hatte mich verwöhnt. Wo ich als ganz junges Ding nur himmlische Kostüme und den Zauber der Premieren gesehen hatte, sah ich nun billigen Flitter und Kleider, die nicht sehr sauber waren und nach Schweiß rochen.« Sie hielt ihr Strickzeug gegen das Licht und zählte die Maschen mit der Spitze der Nadel. »Jetzt lebe ich nur so dahin und warte, bis Philipp während der Ferien zu mir kommt.«
    »Haben Sie denn keine Freunde hier herum?« fragte ich. Nun, da sie mir ihr Vorleben geschildert hatte, begriff ich ein wenig, wie einsam sie sich fühlen mußte, und verzieh ihr im Inneren halb ihre Dreistigkeit. Sie lächelte. »Viele habe ich nicht. Ich fürchte, die Frauen hier meinen alle, ich wolle ihnen ihre Männer wegstibitzen.«
    »Wollen Sie denn das?«
    »Nein, eigentlich gar nicht; aber es reizt mich, ob es bei mir noch
    dazu reicht. Ich habe große Angst davor, allein alt zu werden. Aber seit Sandy habe ich nie jemanden kennengelernt, mit dem zusammen ich alt werden möchte.« Sie legte ihr Strickzeug hin und fügte hinzu: »Das heißt, kürzlich bin ich jemandem begegnet.«
    Etwas in mir warnte mich davor, das Gespräch fortzusetzen. Ganz von fern dämmerte mir eine schreckliche Ahnung auf, der ich nicht einmal in Gedanken eine Form zu verleihen wagte. Da hörte ich unten eine Tür schlagen und war wie erlöst.
    »Das muß Mrs. Little sein.«
    Mrs. Hume stand auf und legte ihre Arbeit zusammen.
    »Ich hab’ wohl wieder mal zuviel geschwatzt, wie gewöhnlich«, sagte sie, und während sie sprach, ließ sie plötzlich das Gebaren der Pflegerin dem Patienten gegenüber fahren, und sie fiel, sich selbst unbewußt, wieder in ihre alte Rolle zurück. Sie wiegte sich ebenso schwungvoll wie zuvor in den Hüften, während sie zur Tür schritt.
    »Ich muß wohl Ihrem Küchendrachen

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