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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Er war ja früher immer schon viel fort gewesen, wenn er geschäftlich nach Nordengland reisen mußte, aber allmählich blieb er immer länger und länger fort, selbst übers Wochenende. Es war weiter nicht schwer zu merken, was los war mit ihm. Zuerst wurde ich sehr böse. Aber ich beschloß, der Kinder wegen, vernünftig zu sein und darüber wegzukommen. Ich liebte Charles immer noch, und es war nicht leicht, über die Sache zu reden, weil ich mich, oberflächlich betrachtet, in keiner Weise über sein Benehmen zu beschweren hatte. Bis ich eines Tages den Beweis in Händen hielt. Es kam ein Brief, der nur an C. Parker gerichtet war, ohne >Mr.< oder >Mrs.<, deshalb machte ich ihn auf. Er war angefüllt mit lauter banalen Redensarten von einer seiner Freundinnen. Ich sage von einer, weil es sich dann bei der Aussprache zwischen uns herausstellte, daß er mehrere am Bändel hatte. Dabei verhielt er sich so anständig wie nur möglich bei der ganzen Sache, mir gegenüber meine ich. Er sagte, er könne nicht dagegen an. Er beteuerte immer wieder, er liebe mich immer noch.«
    Mrs. Parker schwieg einen Augenblick und lächelte wie eine Frau, die keine Illusionen mehr hat.
    »Ja, er benahm sich mir gegenüber wirklich anständig; er suchte sogar einen Psychiater auf, der ihm sagte, die Heilung liege in seinen eigenen Händen und seinem eigenen Verhalten, falls er wirklich geheilt sein wolle. Wir blieben um der Kinder willen zusammen. Aber mit unserem früheren schönen Verhältnis war es natürlich aus. Vor den Augen der Leute waren wir nach wie vor das glücklichste Ehepaar; wir hatten nicht mal guten, gesunden Krach miteinander wie andere, sondern mogelten uns einfach mit Höflichkeit durch. Erst seit einiger Zeit gibt es offenen Streit zwischen uns. Und zwar hab’ ich damit angefangen. Ich habe lange genug mein stilles, enttäuschtes Dasein über mich ergehen lassen und sehne mich danach, der ganzen Sache ein Ende zu machen. Die Kinder sind ja nun älter und werden bald auf eigenen Füßen stehen und sich wahrscheinlich mal verheiraten. Wir zanken uns jetzt den ganzen Tag über nichts und wieder nichts, wahrscheinlich bloß, weil ich seinen Anblick nicht mehr ertrage. Jedenfalls fragte ich ihn heute früh, als er einen Knopf von mir angenäht haben wollte, warum er damit nicht anderswo hingehen könne. Da riß er den Hering, den ich gerade briet, aus der Pfanne und schlug mir damit ins Gesicht.«
    Wieder kamen ihr die Tränen. »Ich habe es lange genug ausgehalten, Herr Doktor, wahrhaftig.« Sie lächelte von neuem unter ihren Tränen. »Er bringt mir sogar jede Woche noch Blumen mit, bloß um bei den Nachbarn Eindruck zu schinden. Bis jetzt hab’ ich sie immer in den Kehrichteimer geworfen, aber wenn er es diese Woche wieder tut, dann schmeiße ich sie ihm einfach ins Gesicht.«
    Ich wollte ihr nicht sagen, daß die Blumen jedenfalls ihren Zweck bei den Nachbarn erfüllt hätten, besonders bei Mrs. Little. Ich behandelte ihre Brandwunde auf der Stirn und versprach auf ihre Frage, nötigenfalls dem Gericht Auskunft über das zu geben, was ich gesehen hatte.
    »Ich hätte doch wohl auch ohne das Grund genug, meinen Sie nicht?« fragte sie bitter.
    Mir kam es allerdings vor, daß sie eine Trennung nicht ganz so leicht durchsetzen würde, wie sie sich vorstellte, nachdem sie jahrelang die Vergehen ihres Mannes dadurch geduldet hatte, daß sie wenigstens scheinbar weiter mit ihm lebte.
    Da meine Kenntnis des Gesetzes indessen sehr verschwommen und Mrs. Parker in keinem Zustand war, der eine ernste Erörterung zuließ, schwieg ich.
    Sie saß da und zerrte wieder an ihrem Taschentuch herum. »Hoffentlich habe ich Ihre Zeit nicht zu lange in Anspruch genommen, Herr Doktor. Bitte, denken Sie nicht schlecht von mir, weil ich...« Sie brachte den Satz vor Schluchzen nicht zu Ende.
    Ich redete ihr zu, bis sie sich gefaßt hatte, und ließ ihr zwei Beruhigungspillen da. Während sie mir die Haustür aufschloß, hatte sie ihre Fassung so weit wiedergewonnen, daß sie mir für meinen Besuch danken konnte.
     

ZWÖLFTES KAPITEL
     
    Bereits im Sommer fühlte ich mich in meiner Praxis wirklich heimisch. Ich kannte meine Patienten einigermaßen, namentlich die ständigen, und hatte eine Ahnung von den verschiedenen Familien, die sich bei mir als Kassenmitglieder eingeschrieben hatten. Ich War imstande, diejenigen, die wegen jeder Kleinigkeit telefonierten, von denen zu unterscheiden, die den Arzt nur bemühten, wenn sie wirklich

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