Heirate keinen Arzt
sie würde mich
nie heiraten, hatte ich doch nie die Hoffnung aufgegeben. Ich war überzeugt, daß sie mich noch immer liebte und ich nur abzuwarten brauchte, bis sie endlich die Dinge so ansehen würde wie ich. Je mehr ich darüber nachdachte, desto übelgelaunter wurde ich. Ein Kerl wie Wilfred konnte Sylvia, meine Sylvia, nie verstehen.
Ich dachte an unsere erste Verabredung. Eine Woche, nachdem wir uns -in dem von Italien kommenden Flugzeug kennengelernt, hatte Sylvia mir versprochen, mit mir auf unseren >Spital-Ball< zu kommen. Als ich an ihrer Wohnungstür läutete, packte mich eine unbeschreibliche Angst. Obwohl ich schon mehrere Male geglaubt hatte, mich verliebt zu haben, war mir noch nie so etwas wie jetzt mit Sylvia geschehen. Die Tür wurde von der Schauspielerin Molly, Sylvias Wohnungspartnerin, geöffnet, und gleich im Moment meines Eintretens spürte ich, daß ich mich in einem mir fremden Milieu befand. Molly begrüßte mich mit den Worten: »Hallo, Darling!« obwohl ich sie noch nie im Leben zu Gesicht bekommen hatte, und ich erwiderte notgedrungen auch »Hallo«.
Sie war alles andere als hübsch und trug einen langärmeligen Overall, in dem sie mehrere Male Platz; gehabt hätte. Immerhin besaß sie Persönlichkeit genug, um ihren Overall auf eine gewisse schauspielerische Art zu tragen und ihren Zügen einen künstlichen Anstrich von Schönheit zu geben.
»Ich fabriziere gerade ein Spaghettigericht«, plauderte sie, während sie mich ins Wohnzimmer führte. »Mit Knoblauch und Basilikum und einer winzigen Spur von wildem Thymian. Sylvia rührt es natürlich nicht an, wegen ihrer schlanken Linie, aber ich könnte von nichts anderem leben. Versuchen Sie es doch mal, nicht? Ich heiße Molly und soll Sie unterhalten, während Sylvia sich anzieht, das wunderbare Geschöpf.«
Ich sagte Molly, auf dem Ball sei für das Diner gesorgt, nahm jedoch ein Glas Sherry an.
»Stammt von einem von Sylvias Anbetern«, erklärte sie, als ich ihm ein Lob zollte.
Mit einer Lebhaftigkeit und einem Charme, bei dem sich ein ganzes Regiment bald wohl gefühlt hätte, ließ mich Molly die Minuten vergessen, die verstrichen, während ich auf Sylvia wartete.
Als sie endlich erschien und ich sah, daß der Blick ihrer Augen den meinen spiegelte, wußte ich, daß ich mich nicht geirrt hatte und daß unser Zusammentreffen kein banaler Zufall gewesen war, sondern Liebe auf den ersten Blick.
Wie ich vorausgesehen hatte, trat vor Sylvia auf dem Ärzteball alles andere in den Schatten. Arztfrauen verstehen sich bekanntlich nicht gerade geschmackvoll anzuziehen, und darin bildeten die anwesenden keine Ausnahme. Auch seitens der Krankenschwestern war keine Konkurrenz zu fürchten, denn die meisten von ihnen konnten mit dem, was sie verdienten, keine großen Sprünge machen. Sylvia verdrehte allen den Kopf. Ich glaube, ich kann mich noch an alle Kleider, in denen ich sie je sah, so gut erinnern wie an die Lehrsätze in Greys Anatomie. Wenn ich es mir heute überlege, so verfolgte Sylvia, von Molly dazu angestiftet, wahrscheinlich das Ziel, mit ihrer Erscheinung den Spitalball zu beleben. Doch kannte ich sie damals noch nicht gut genug, um zu durchschauen, was sie im Schilde führte. Zu beschreiben war eigentlich an ihrem Kleid nicht viel, außer daß es leuchtend rot war. Sie mußte sich sehr behutsam darin bewegen. Ihr Haar hatte sie hoch auf dem Kopf in einen Knoten aufgesteckt, der nur von einem brillantglitzernden Kamm gehalten wurde. Alles übrige war einfach Sylvias Schönheit und ihre wunderbare Gestalt. Ich konnte hinterher nicht sagen, was wir gegessen haben; ich hörte keine der Reden und wußte nicht, wie die Tanzkapelle gewesen war. Ich wußte von nichts anderem, als daß Sylvia mir nahe war. Als wir zurückkehrten, trafen wir Molly und ihren Freund vor der Wohnung an, und gingen alle hinein, um noch etwas zu trinken. Mollys Freund spielte den Barmann, und Sylvia und ich gingen in die Küche, um Potato Crisps zu holen. Es dauerte eine halbe Stunde, bis wir damit wieder zurückkamen, denn wir wurden durch unseren ersten Kuß aufgehalten. Im Spülstein standen die Pfannen von Mollys hervorragendem Spaghettigericht, und an dem darüber gespannten Seil baumelten Nylonstrümpfe. Sylvia tat gar nicht erst, als sehe sie sich nach den Potato Crisps um. Sobald wir in der Küche waren, blieb sie einfach stehen und blickte mich an. Das war eben so wunderbar an Sylvia: nie benahm sie sich verschämt oder neckisch kokett, wie
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