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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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ernsthaft erkrankt waren. Auf meiner Besuchsrunde bekam ich immer seltener zu hören, »der alte Doktor hat uns das und das gegeben« oder »der alte Doktor hat ihm nie erlaubt, dies oder jenes zu tun«. Man spielte nicht mehr so häufig auf meine Jugend an und erschien nicht mehr so leicht in meiner Sprechstunde mit der oft überflüssigen Bitte, »mal so im allgemeinen zu untersuchen«.
     
    Eines Samstagnachmittags saß Mrs. Grimshaw, deren an Windpocken erkranktes Kind meine allererste Patientin gewesen war, mir am Schreibtisch gegenüber.
    »Ich hab’ mich nicht entschließen können, eher zu kommen, Herr Doktor«, sagte sie, »da Sie doch noch so jung sind. Aber Mrs. Carter aus unserer Straße hat gesagt, ich soll’ doch nicht so einfältig sein, sie wär’ ja selbst bei Ihnen gewesen und viele von den andern Nachbarinnen auch. Da bin ich also, Herr Doktor.«
    Die Mrs. Carter, auf die sie sich bezog, war die Klatschbase der städtischen Siedlung. Sie kannte einen jeden, und was er tat oder nicht tat, und mengte sich in alles ein. Für mich war sie allerdings unschätzbar gewesen. Sie hatte mich Freunden und Bekannten empfohlen, neu Zuziehende so lange geplagt, bis sie mit ihren Kassenkarten zu mir kamen, und mein Lob über sämtliche Gartenzäune gesungen. Eine große, dicke Frau mit sieben Kindern und einem Mann, der als Briefträger amtete, wenn er nicht gerade nebenamtlich als Feuerwehrmann anders in Anspruch genommen war. Sie erschien als erste auf dem Schauplatz, wenn sich irgendwo im Umkreis die ersten Wehen einstellten. Sie war es, die Masern, Windpocken, Mumps, und was sie »Ausschlag vom Zahnen« nannte, bei den Nachbarskindern diagnostizierte und zu der die Frauen gelaufen kamen, wenn sie sich über ihre Männer zu beklagen hatten. Sie erteilte Ratschläge über die Kleider der Brautjungfern, wenn eine Hochzeit bevorstand, beriet die Angehörigen über Taufnamen für das Neugeborene und amtete als Leichenbitterin. Sie war eine nie wankende Stütze für ihre Freunde und eine nicht zu unterschätzende Macht für ihre Feinde. Es schauderte mich bei der Vorstellung, was geschehen mochte, sollte je ein unglücklicher Zufall mich der letzteren Kategorie einreihen.
    Ich war mit Mrs. Grimshaw fertig und hörte mir soeben eine Geschichte von Mrs. Lockett über das Bettnässen ihres kleinen Steven an, als die Glocke am Telefon ging, ein Zeichen, daß jemand persönlich mit mir zu sprechen wünschte. Alle Gespräche wurden in der Küche durch Mrs. Little abgenommen, und sie verband mich nur dann, wenn ich selbst am Telefon verlangt wurde. Ich bat Mrs. Lockett, mich zu entschuldigen, und griff zum Hörer.
    »Schatz?« sagte eine wohlbekannte Stimme, und ihr Klang hatte die gewohnte Wirkung auf mich.
    »Hallo«, sagte ich und fühlte dabei Mrs. Locketts Augen forschend auf mir. »Ich bin gerade mitten in der Sprechstunde.«
    »Entschuldige, ich will dich gar nicht lange aufhalten, aber ich mußte dich einfach anrufen. Rate weswegen?«
    »Warum denn?«
    »Ich hab’ mich verlobt.«
    Ich spürte, wie mein Herz zusammenzuckte und ein Zentnergewicht irgendwo in der Gegend meiner Magengrube herabfiel.
    »Hast du’s gehört?«
    Mrs. Lockett beobachtete mich noch immer, während der kleine Steven auf seinem Stuhl auf und nieder hopste.
    »Ja, ich hab’s gehört. Mit wem?« fragte ich, obwohl ich es bereits erraten hatte.
    »Mit Wilfred, Wilfred Pankrest.«
    Ich wußte nicht, was ich antworten sollte.
    »Na, gratulierst du mir denn nicht mal?«
    »Ich habe Sprechstunde.«
    »Herzlichen Glückwunsch kannst du ja wenigstens sagen.«
    »Herzlichen Glückwunsch!«
    »Kann ich ihn morgen zum Tee zu dir mitbringen?«
    »Wen - Wilfred?«
    »Ja. Ich möchte, daß du ihn kennenlernst. Er ist einfach ein -«
    »Schatz?« fragte ich, und Mrs. Locketts Augen sprangen beinahe aus dem Kopf.
    Sylvia ging nicht auf meinen Sarkasmus ein.
    »So gegen vier?« meinte sie unbefangen. »Jetzt muß ich aber schleunigst Schluß machen. Denk nur, all die Leute, denen ich es sagen muß!«
    »Kann ich mir lebhaft denken.«
    »Wiedersehn, also morgen!«
    »Leb wohl.«
    Ich führte die Sprechstunde zu Ende, ohne daß das Bleigewicht sich von meinem Magen hob. Ich versuchte mir einzureden, Sylvia habe gar nicht telefoniert, tat vor mir selbst, als hätte ich mir unser Gespräch nur eingebildet. Dabei hätte ich Wilfred Pankrest am liebsten umgebracht. Es konnte einfach nicht wahr sein! Obwohl Sylvia mir mit großer Bestimmtheit erklärt hatte,

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