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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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hatte gesehen, daß ich Mr. Brown von seinem Ekzem befreit und die Mandeln der kleinen Joan sowie die Bindehautentzündung des Neugeborenen richtig behandelt hatte, deshalb brachte sie mir von vornherein volles Vertrauen entgegen, als ich die Ursache ihrer Kopfschmerzen suchte und fand. Das war die wahre Familienpraxis, und meiner Meinung nach war es wichtig, daß dabei keine Änderung eintrat.
     
    Zum erstenmal bemerkte ich an diesem Morgen auf meiner Besuchsliste den Namen meiner nächsten Nachbarin, Mrs. Parker. Bis jetzt stand ich nur auf »Grußfuß« mit ihr, obwohl ich sonntags mit ihrem Manne lange Gartendiskussionen über den Zaun hinweg hielt. Er schien ein netter Kerl zu sein und brachte laut Mrs. Little seiner Gattin noch immer getreulich seinen allwöchentlichen Blumenstrauß mit heim. »Was ist mit Parkers?« erkundigte ich mich bei Mrs. Little.
    »Es ist ihretwegen, aber sie sagt nicht, was ihr fehlt.«
    »Gut«, sagte ich, »da werde ich zuerst zu ihr hinübergehen.«
    Zu meiner Überraschung fand ich Mrs. Parker, die mir immer den Eindruck einer gelassenen kleinen Frau gemacht hatte, in Tränen vor. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich ein bös aussehender roter Striemen ab, der sich vom Haaransatz bis zum Kinn hinzog. Ich nahm an, daß sie deswegen weinte, und fragte sie, womit sie sich , verletzt habe.
    »Es ist von einem Stück Fisch«, schluchzte sie, »ein Stück gebratener Hering war’s.«
    Das sagte mir weiter nicht viel, und ich wartete ihre nähere Erklärung ab.
    »Mein Mann hat’s getan. Er hat mir damit übers Gesicht geschlagen.«
    Das schien dem freundlichen Mr. Parker so wenig ähnlich, daß ich annahm, sie übertreibe.
    »Sie sagen, er hat Sie mit einem Stück Fisch geschlagen?«
    Sie nickte und rieb sich die Augen mit einem durchweichten Taschentuch.
    »Ich halt’ es nicht länger aus, Herr Doktor, ich halt’ es einfach nicht mehr aus. All die Jahre hab’ ich es ertragen, aber jetzt kann ich nicht länger.«
    Ihre Stimme wurde immer lauter, und sie begann wieder unbeherrscht zu weinen. Ich suchte sie zu beruhigen und bat sie, mir die ganze Geschichte im Zusammenhang zu erzählen - vielleicht, daß ich ihr dann würde raten können. Nach ein paar Minuten hörte sie auf zu schluchzen, strich sich das Haar aus der Stirn und steckte ihr Taschentuch in die Schürzentasche. Dann setzte sie sich etwas aufrechter hin, wie um sich zusammenzureißen, und sagte:
    »Es ist mein Mann, Herr Doktor. Ich kann’s einfach nicht aushalten, wie er sich aufführt -« Sie lächelte ein wenig. »Ich drücke mich wohl nicht klar genug aus, wie? Aber sehen Sie: Ich hab’ das alles so lange bei mir behalten, daß es mir jetzt schwerfällt, mit jemandem darüber zu reden.«
    »Wenn Sie vielleicht ganz von Anfang anfingen«, schlug ich vor.
    »Der Anfang war nach dem Krieg«, sagte sie. »Charles war vom ersten Tag an in der Armee, er hatte sich freiwillig gemeldet. An der Front stand er nicht viel, er war im Nachrichtendienst, aber viel im Ausland, und meist ging es dauernd von einem Ort zum anderen. Wir waren schon sechs Jahre verheiratet, als der Krieg begann, und wir hätten überhaupt kaum glücklicher sein können, als wir’s waren. Im Kriege ging dann natürlich alles kunterbunt zu, und wir hatten nicht viel voneinander. Wenn Charles auf Urlaub kam, war es immer wunderbar, und wenn er fort war, kümmerte ich mich um die Kinder und wartete auf seine Briefe und den nächsten Urlaub. Als er dann entlassen wurde, kauften wir das Haus hier und richteten uns darauf ein, ein normales Leben zu führen. Zuerst glaubte ich, alles wäre wieder so wie früher. Charles arbeitete, um sein Geschäft wieder aufzubauen. Ich machte mir mit dem neuen Haus zu schaffen. An den Wochenenden waren wir alle Zusammen und hatten Besuch oder gingen mit den Kindern aus. Ich kann gar nicht genau sagen, wann alles sich zu ändern begann. Ich merkte es so ganz allmählich. Äußerlich schien alles, wie es immer gewesen war, aber Charles hatte irgend etwas Gezwungenes in seinem Benehmen zu mir. Während er erst immer lieb gewesen war, weil er einfach nichts anderes kannte und konnte, seiner ganzen Natur nach, wurde mir jetzt klar, daß er nur so tat - als ob er eine Rolle spielte. Ich beobachtete ihn manchmal, wenn er abends in seinem Sessel saß, und dann lag ein so abwesender, so kalter Blick in seinen Augen. Sobald er merkte, daß ich ihn beobachtete, setzte er ein Lächeln auf, aber es war kein echtes Lächeln, bestimmt nicht.

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