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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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mir verhaßt. Nachdem ich heute wieder ein halbes Dutzend Briefe abgelegt hatte, was dem Stapel kaum anzumerken war, einige Anmeldungen abgeschickt, Briefpapier bestellt und die Reste des alten frisch geschichtet hatte, kam ich zu der Überzeugung, daß ich eine Halbtagssekretärin brauchte. Je länger ich mir die Sache überlegte, desto einleuchtender erschien sie mir.
    So setzte ich mich bin und verfaßte eine Annonce für die Stellenangebote unseres Lokalblättchens. »Arzt sucht Sekretärin für mehrere Nachmittage wöchentlich.« Bisher war mir der Gedanke an eine solche Hilfe nie gekommen. Jetzt erschien sie mir plötzlich als unumgänglich notwendig. Ich konnte kaum die Antworten auf mein Inserat erwarten.
    Ich beschloß, die erledigten Schriftstücke liegenzulassen, bis die neue Kraft da sein würde, und überflog die seither eingegangene Korrespondenz. Da waren zwei Bitten um Beiträge für wohltätige Zwecke, das Resultat eines Schwangerschaftstests, eine goldgeränderte Karte mit der Ankündigung, daß Michael Reed in der nächsten Woche seine Herbstkollektion zeigen werde. Das bedeutete, daß Sylvia als Mannequin auftrat. Seine guterzogenen Verkäuferinnen sandten mir noch immer Einladungen zu allen Modeschauen, bei denen sie mitmachte; ich hätte gern gewußt, ob sie ihnen nicht sagen würde, es sei nicht mehr nötig! In der letzten Zeit hatte mir meine Grobheit gegen Sylvia bei ihrem Teebesuch ziemlich schwer auf dem Herzen gelegen, und ich wollte soeben die Einladung zerreißen, als ich gewahrte, daß die Schau an meinem freien Nachmittag stattfand. Sofort beschloß ich, Wilfred hin oder her, hinzugehen. Es war wohl unwahrscheinlich, daß er dort erscheinen würde, und so hätte ich vielleicht die Chance, Sylvia nachher zum Tee mitzunehmen und sie um Entschuldigung zu bitten.
    Liebe und Medizin waren sonderbare Gesellen. Solange ich an der Arbeit war, mußte ich mich stets angespannt konzentrieren, und doch glaube ich nicht, daß mir Sylvia je mehr als auf wenige Stunden aus dem Sinn kam. Wenn ich überhaupt an Wilfred dachte, redete ich mir ein, daß es ihn einfach nicht gebe; sonst brachte ich es meist fertig, ihn ganz und gar zu vergessen. Wenn ich in den Häusern meiner Patienten, wie es öfters vorkam, glücklichen Brautleuten begegnete, erinnerten sie mich an Sylvia und mich. Führte mich mein Weg zu jungen Ehepaaren, dann dachte ich an das Fehlschlagen meiner eigenen Hoffnungen. Hörte ich von einer Ehe, die auseinanderzugehen drohte, dann fühlte ich den Drang, den Beteiligten zu zeigen, daß und auf welche Weise sie zusammenbleiben, könnten. Nur eines tat mir not: Sylvia.
    Ich legte die Einladung in meinen Terminkalender und machte mich auf den Weg zum Annoncenbüro, um mein Gesuch nach einer Sekretärin aufzugeben.
     

SIEBZEHNTES KAPITEL
     
    Auf der Fahrt zur Modeschau dachte ich, daß selbst Wilfred Pankrest nicht besser abschneiden könnte als ich in meinem neuen Anzug. Ich blickte in den Vorderspiegel, konnte aber nicht mehr von mir sehen als meinen makellos weißen, steifen Kragen und den Knoten meiner gestreiften Krawatte. Der zweite meiner neuen Anzüge, den Sylvia noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, war, wie Mrs. Little mir versichert hatte, »richtig vornehm«, und meine perlgraue Weste wäre bestimmt sogar eines Pankrest würdig gewesen. Neben mir auf dem Sitz lag mein weicher Filzhut nebst den teuren schweinsledernen Handschuhen, und ich wünschte, es säße jemand neben mir, um meine Freude daran zu teilen. Leise schmunzelnd gedachte ich des ersten Mals, da ich Sylvia nach einer Modeschau abgeholt hatte. In meiner freudigen Erwartung war ich bereits um vier Uhr vor dem eleganten Haus im Londoner Westend angekommen, an dessen Eingang ich Sylvia nach ihrer Weisung um halb fünf erwarten sollte, und hatte mir, an das schmiedeeiserne Geländer gelehnt, eine Zigarette angesteckt, damit die Zeit etwas schneller vergehe.
    Es mochte fünf Minuten gedauert haben, ehe ich gewahrte, daß ich beobachtet wurde. Ein baumlanger Portier in weinroter Uniform mit galonierten Epauletten wiegte sich mit hinter dem Rücken verschränkten, weißbehandschuhten Händen auf den Absätzen hin und her und musterte mich aufmerksam. Von den weißgetünchten Stufen seines Reiches herab mühte er sich offenbar, meine soziale Stellung einzuschätzen. Da ich mir meiner traurig verbeulten Flanellhose und meiner braunen Sportjacke bewußt war, deren einzig noch übriger Vorzug darin bestand, daß sie bequem

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