Heirate keinen Arzt
noch ungläubig dreinschauenden John beobachtet, in der Richtung auf Bond Street in Bewegung.
Das war der Nachmittag, an dem ich Sylvia sagte, daß ich sie liebe. Es geschah in einem Tea-Room, an dessen Wand eine sternförmige Uhr hing.
Sie ließ ihre papierdünnen Tomatenbrötchen unberührt und hörte sich an, was ich ihr über meine Empfindungen zu sagen hatte. Als ich am Schluß angelangt war, fragte ich sie:
»Was meinst du zu alledem?«
Ich weiß noch, welche Ewigkeit es mir zu dauern schien, bis ihre Antwort kam. Sie sah mir geradewegs in die Augen, und ehe sie noch ein Wort äußerte, spürte ich die Liebe, die aus ihrem Blick in meine Seele floß.
»Ich liebe dich wirklich«, sagte sie endlich, und ich erlebte den glücklichsten und stolzesten Augenblick meines Lebens.
Wohl hatte ich schon andere junge Mädchen gekannt und hätte jedesmal schwören mögen, daß dies die Liebe sei. Allein ein Mensch wie Sylvia war mir noch nie begegnet. Wir pflegten manchmal zufrieden zu lachen, wenn wir uns klarmachten, wie vollkommen wir zueinander paßten. Wir dachten dieselben Gedanken, setzten zur selben Zeit zu denselben Worten an, durchlebten die gleichen Momente des Schweigens und eifrigen Redens in reinster Harmonie.
Ich hupte ungeduldig wegen des Vorderwagens, obwohl wir beide machtlos in einer Verkehrsstockung festsaßen, und schimpfte, einfach um mir Luft zu machen, auf das unschuldige Auto ein:
»Zum Teufel mit diesem Pankrest! Zur Hölle soll er fahren!«
John winkte mich in das letzte kostbare Parkeckchen vor der Maison Michael Reed und machte mir die Wagentür auf.
»Tag, Herr Doktor«, sagte er, und ich las männliches Mitgefühl in seiner Miene. »Hab’ Sie ja ’n ganzes Weilchen nicht gesehen.«
Ich murmelte etwas über »viel zu tun« und lief rasch die Stufen hinauf. Mit dem deutlichen Gefühl seines gekränkten Blickes im Rücken entsann ich mich, daß ich verabsäumt hatte, mich nach seinem Magengeschwür zu erkundigen.
Oben im Salon hatte die übliche Gesellschaft bereits Platz genommen. Die schweren Anzüge, die Pelzstolen, die langen Zigarettenhalter und die lustigen kleinen Hüte, die mich einst in einen ängstlichen Zustand verlegenen Schweigens versetzt hatten, machten mir heute nicht den geringsten Eindruck mehr. Da saßen sie mit gezückten Bleistiften und aufgeschlagenen Katalogen, schwatzten, begrüßten einander überschwenglich und bereiteten sich vor, der vor ihnen liegenden todernsten Aufgabe - der Wahl der neuen Wintergarderobe - ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken.
»Haben Sie eine Einladungskarte, Sir?«
Ich blickte Yvette an, die mir in der Regel hinter einer großen Topfpalme, wo mich niemand sehen konnte, ein winziges Eckchen freizumachen verstand.
»Oh, Sie sind es«, sagte sie. »Ich hab’ Sie gar nicht erkannt.«
»Sylvia weiß nicht, daß ich hier bin. Sagen Sie’s ihr bitte nicht, Yvette - sei’n Sie kein Spielverderber.«
»Oh!« machte sie enttäuscht. »Sicher wüßte sie es aber doch gern.«
»Ich überrasche sie hinterher.«
»Gut. Schau’n Sie«, und sie faßte mich beim Arm, »Sie können dort auf dem Stuhl in der zweiten Reihe sitzen. Lady Harding hat eben telefoniert, daß sie nicht kommen kann.«
Der unerwarteten Beförderung entnahm ich, daß mein neuer, respektabel aussehender Anzug die gewünschte Wirkung hervorrief - jedenfalls auf Yvette.
»Könnte ich nicht hinter der Palme sitzen?«
»Wenn Sie durchaus wollen.«
»Ja, ich möchte.«
Zwei breitschultrige, grauhaarige Frauen stürzten sich auf Yvette.
»Wo sind unsere Plätze, Yvette? So ein furchtbarer Verkehr -wir dachten schon, wir kämen zu spät.«
Yvette blinzelte mir zu. »Wiedersehen nachher«, sagte sie und kehrte zu ihren Obliegenheiten zurück.
»Ja, Mrs. Anstruther-Wright, ich habe Ihnen hier drüben zwei reserviert. Bitte folgen Sie mir.«
Hinter meiner Palme wartete ich ungeduldig, bis ich Sylvia zu sehen bekommen würde. Überall waren Blumen, und die üblichen Telegramme mit den üblichen guten Wünschen schmückten den Kaminsims; eine Verkäuferin machte die Runde und bot Zigaretten an; ein paar Frauen in meiner Nähe erörterten die Gallenblasenoperation, der sich eine von ihnen kürzlich hatte unterziehen müssen.
»>Lady Hawkins<, sagte er nachher zu mir, >Ihr Fall war äußerst interessant und ungewöhnlich. Ich muß Ihnen danken, daß Sie mir gestatteten, den Eingriff vorzunehmen.<«
»Genauso ging es mir, als Dr. Hordon mir die Eierstöcke
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