Heirate nie einen Italiener
das Beste, wenn wir uns in Zukunft aus dem Weg gehen.”
Lorenzo machte keinen Versuch, sie aufzuhalten, sondern sah ihr ausdruckslos nach. Wie es in ihm aussah, ließ sich einzig daran erkennen, dass er den Zettel wutentbrannt zerriss und die Fetzen zu Boden warf.
11. KAPITEL
D ie Eröffnung des neuen Elroy war ein gesellschaftliches Ereignis, zu dem sich sämtliche Honoratioren Palermos und die wichtigsten Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur einfanden.
Zu diesen gehörte auch die Familie Martelli, und so konnte es Helen nicht verwundern, als nach dem offiziellen Empfang plötzlich Renato neben ihr stand.
“Herzlichen Glückwunsch”, sagte er freundlich. “Ihr habt ganze Arbeit geleistet.”
Sie bedankte sich für das Kompliment, doch mehr als sein Urteil über den Umbau beschäftigte sie eine andere Frage. “Bist du allein gekommen?”, erkundigte sie sich vorsichtig.
“Lorenzo ist nicht hier, falls du das gemeint haben solltest”, antwortete er. “Dafür möchte jemand anderes dir Guten Tag sagen.”
Er führte sie zu einer Gruppe von Gästen, unter denen sich Baptista und Federico befanden. Mit einem bangen Gefühl ging Helen zu ihnen, doch die beiden begrüßten sie so warmherzig, dass ihre Beklommenheit rasch verflog.
“Es ist jammerschade, dass du nicht bei der Taufe unserer Enkeltochter warst”, sagte Baptista liebevoll. “Sie haben die Kleine nach Bernardos Mutter Marta genannt.”
“Ich wäre wirklich gern gekommen”, erwiderte Helen gerührt, “aber das wollte ich Lorenzo nicht auch noch antun. Dafür weiß ich zu gut, was er meinetwegen durchmachen muss. Wenn man uns zusammen gesehen hätte, wäre alles noch schlimmer geworden.”
“Schlimmer kann es kaum werden”, widersprach Baptista mit einer Bestimmtheit, die Helen zutiefst verunsicherte. “Lorenzo ist seit Monaten so verschlossen und in sich gekehrt, dass ich manchmal meinen Jungen nicht wiedererkenne.”
“Warum unternimmt er nicht endlich etwas, um dem Spuk ein Ende zu machen?”
“Liegt das nicht auf der Hand,
miu fighia?”
Baptista wirkte plötzlich auf eine Weise ernst, wie Helen es nie zuvor an ihr erlebt hatte. “Wie du weißt, sind wir Sizilianer sehr altmodisch – jedenfalls wenn es um Werte wie Ehre, Stolz und Ähnliches geht. Ein Mann, der diese Werte missachtet, hat in unserer Gesellschaft nichts zu lachen. In den Augen seiner Altersgenossen hast du Lorenzos Stolz verletzt, und die Selbstachtung gebietet es, dass er sich an dir rächt. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder er sucht sich umgehend eine neue Freundin, oder er zieht dich in den Schmutz, indem er gewisse Gerüchte über dich in Umlauf bringt. Beides käme für ihn niemals infrage. Warum das so ist, müsstest du dir eigentlich denken können.”
Baptistas Worte trafen Helen nicht gänzlich unvorbereitet, denn auch wenn sie sich bemüht hatte, den Gedanken zu verdrängen, hatte auch sie nur eine Erklärung dafür, warum Lorenzo ihretwegen Qualen litt, an denen andere Männer längst zerbrochen wären.
“Soll das heißen …?” Sie unterbrach sich und sah seine Mutter Hilfe suchend an. “Er
kann
mich doch gar nicht mehr lieben.”
“Würde er sich sonst so demütigen lassen?”, reagierte Baptista mit einer Gegenfrage, die mehr erklärte, als jede Antwort es gekonnt hätte. “Anstatt an seinen Gefühlen für dich zu zweifeln, solltest du dir lieber klar darüber werden, was du für ihn empfindest, Elena”, sagte sie mit mütterlicher Strenge. “Du hast ihn als unbekümmerten jungen Mann kennengelernt. Doch
diesen
Lorenzo gibt es nicht mehr. Aus Liebe zu dir hat er sich zum gesellschaftlichen Außenseiter gemacht. Eine gemeinsame Zukunft kann es für euch nur dann geben, wenn du bereit bist, genauso bedingungslos zu ihm zu halten, wie er zu dir hält. Kannst du dir vorstellen, dass du die Kraft dazu hast?”
“Ja”, erwiderte Helen mit aller Entschiedenheit, “das kann ich. Für den sorglosen und unbekümmerten Jungen, den ich in New York kennengelernt habe, habe ich geschwärmt. Doch den selbstlosen, rücksichtsvollen und verantwortungsbewussten Mann, den ich nun erleben durfte, liebe ich von ganzem Herzen, und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als Lorenzos Frau zu werden und das Leben mit ihm zu teilen.”
“Dann müssen wir nur noch Lorenzo überzeugen”, sagte Baptista gerührt, bevor sie schalkhaft hinzusetzte: “Aber das bekommen wir schon hin. Wie du weißt, habe ich Erfahrung in diesen Dingen.”
Das
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