Heiratsantrag auf Portugiesisch
zu seinem Wagen, den er vor der quinta geparkt hatte. Warum hat mir die Condessa nur von den geheimen Wünschen meines Vaters erzählt, überlegte Shelley. Sie kann doch nicht glauben … Nein, arrangierte Ehen gehören der Vergangenheit an. Allerdings könnte die Villa, die ich geerbt habe, einen Anreiz für Jaime darstellen. Ist sie etwa als Mitgift gedacht? Lächerlich! Jaime würde sich nicht davon beeindrucken lassen.
„Weißt du, dass ich jeden Tag an deinen Vater denke? Er war wirklich ein ganz besonderer Mensch.“
Er half ihr in den bequemen Mercedes. Was für ein Gegensatz zu ihrem in die Jahre gekommenen Kleinwagen! Im Inneren duftete es dezent nach Leder und einem erregenden männlichen Cologne, das beunruhigende Bilder an Jaimes Umarmungen in ihr wachrief.
„Er muss dir viel bedeutet haben“, erwiderte sie angespannt. Dann kam ihr erneut ein Gedanke: Wie tief war die Verbundenheit zwischen Jaime und meinem Vater? Sollte es möglich sein, dass Jaime ihm zuliebe eine Frau heiraten würde, die er nicht wirklich liebte? Wir sind hier nicht in England, ging es ihr durch den Kopf, und ihr Herz schlug schneller. Ach was, selbst wenn er mir einen Heiratsantrag macht, kann ich ihn immer noch ablehnen, versuchte sie sich zu beruhigen.
Hoffentlich würde sie die Kraft dazu haben. Dieser Mann hatte bereits einen Wirbelsturm an Emotionen in ihr ausgelöst. In kürzester Zeit waren ihre Gefühle von Wut in … Liebe umgeschlagen? Nein! Niemals! Und doch … Sie fröstelte.
„Ist dir kalt? Das ist sicher die Klimaanlage. Ich schalte die Temperatur etwas höher, in Ordnung?“
Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Wie hatte das geschehen können? Sie war nicht auf der Suche nach einem Abenteuer an die Algarve gekommen. Und schon gar nicht mit einem Mann wie Jaime. Er war überhaupt nicht ihr Typ. Die Männer, mit denen sie hin und wieder ausging, waren viel unauffälliger. Jaime hingegen, mit seinen scharf geschnittenen Gesichtszügen und seinem ausgeprägten Selbstbewusstsein, würde überall auffallen.
Ich will mich nicht in ihn verlieben, dachte sie und versuchte die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Sie hatte gehofft, hier in Portugal eine warmherzige Familie zu finden, die ihr etwas von der Zuneigung und der Verbundenheit schenken konnte, die sie in ihrem einsamen Leben immer vermisst hatte. Doch nun musste sie sich eingestehen, dass sie selbst alles andere als schwesterliche Gefühle empfand, wenn sie an Jaime dachte.
Fast gegen ihren Willen drehte sie den Kopf und sah ihn von der Seite an.
„Na, machst du eine Bestandsaufnahme?“
Seine Stimme klang amüsiert, und ein kurzes Aufflackern in seinen Augen, als er sie ebenfalls anblickte, verriet ihr, in welche Richtung seine Gedanken gingen. Sie errötete tief.
Als er seine Hand auf ihre Wange legte, zuckte sie zurück.
„Du bist sehr nervös. Liegt es an mir?“
Rasch schüttelte sie den Kopf. Ihre Großmutter hatte sie so gut wie nie angefasst und ihr zu verstehen gegeben, dass sie von Küssen und Umarmungen nichts hielt. So hatte Shelley sich nach und nach immer mehr zurückgezogen. Als Teenager konnte sie es kaum noch ertragen, von einem anderen Menschen berührt zu werden. Selbst als Erwachsene fiel es ihr noch schwer, die unter Freunden üblichen Umarmungen zur Begrüßung mitzumachen.
„Solltest du dich nicht aufs Fahren konzentrieren?“
Unter anderen Umständen hätte sie selbst über den spröden Klang ihrer Stimme lachen müssen. Dicht neben Jaime im Wagen sitzend, war sie allerdings voll und ganz damit beschäftigt, sich das Gefühlschaos, in das er sie stürzte, nicht anmerken zu lassen. Ihre Haut glühte an der Stelle, wo er sie berührt hatte, und sie wandte den Blick nach vorn und sah starr aus dem Fenster.
Die Weinberge lagen inzwischen hinter ihnen, und sie fuhren durch lichten Mischwald aus Pinien, Eichen und Kastanien.
Kurz vor ihrem Ziel ging es den Hügel hinab, dann umfuhren sie die Ortschaft und gelangten diesmal direkt ans Meer. Als die Großbaustelle um den neuen Hotelkomplex zu sehen war, sagte Shelley spontan: „Wie schade, dass man die Landschaft so verbaut. Es ist so schön und friedlich hier.“
„Es ist tatsächlich eine sehr ruhige und ländliche Gegend. Zumindest war sie das. Ein neues Hotel bedeutet aber auch Arbeitsplätze und Wohlstand.“
„Trotzdem ist es ein Schandfleck.“
Er zuckte die Schultern und hielt vor der Villa an. „Mag sein, aber zumindest sieht man es nicht von der quinta aus“,
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