Heiratsantrag auf Portugiesisch
zutiefst, gleichzeitig machten sie ihr Angst.
„Ah, da kommt Luisa und bringt unser Frühstück.“
Shelley war froh über die Unterbrechung, gab sie ihr doch Zeit, sich wieder zu sammeln. „Luisa fragt sich sicher, was hier gespielt wird“, bemerkte sie trocken, als das Hausmädchen sich entfernt hatte. „Ich würde sagen, sie ist aufgeklärt und kann sich genau denken, wie es um uns steht.“
Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte auf ihre überstürzte Abreise und die schnelle Rückkehr angespielt. Offensichtlich hatte er sie missverstanden.
„Ist es denn so schlimm, wenn sie mit ihrer Vermutung richtigliegt?“, fragte er neckend, als sie weiterhin nachdenklich vor sich hinsah.
„Wir kennen uns doch kaum.“ Sie versuchte, Zeit zu gewinnen.
Jaime lachte lauthals los.
„Wie britisch!“ Sein Lächeln vertiefte sich. „Wir werden uns noch viel besser kennenlernen, glaub mir.“ Seine Stimme klang plötzlich tief und dunkel. Anschließend musste Shelley ihre ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um das Frühstück hinter sich zu bringen. Nachdem er eine zweite Tasse Kaffee getrunken hatte, blickte Jaime auf die Uhr. „Ich bringe dich jetzt zu meiner Mutter.“ Nach einem Blick auf ihre Miene fügte er hinzu: „Du brauchst nicht nervös zu sein. Sie hat deinen Vater über alles geliebt. Gib ihr bitte nicht die Schuld an meinem Verhalten. Sie hat mir ins Gewissen geredet, nicht vorschnell zu urteilen, aber ich habe nicht auf sie gehört. Sicher hat es auch damit zu tun, dass ich eifersüchtig auf dich war. Du bist seine richtige Tochter. Mutter und ich mochten ihn noch so sehr lieben, es hat ihm nie darüber hinweggeholfen, dass er dich verloren hatte. Bist du bereit?“
Er erhob sich. Shelley nickte schweigend. Sie folgte ihm ins Haus und einen Gang entlang, den sie noch nie betreten hatte. An seinem Ende befand sich eine Treppe.
„Dort oben ist die Wohnung unserer Eltern. Nach dem Tod deines Vaters waren Carlota und ich nicht sicher, ob es Mutter guttun würde, weiterhin dort zu wohnen. Doch es hat sich gezeigt, dass die gewohnte Umgebung ihr einen gewissen Trost gibt.“
Sie gingen nach oben, und Jaime klopfte kurz an eine der Türen, öffnete sie und schob Shelley sanft ins Zimmer.
Die Condessa saß an einem kleinen Schreibtisch. Im hellen Morgenlicht wirkte sie bleich und übernächtigt und hatte dunkle Ringe um die Augen. Was Shelley für Stolz und Gleichgültigkeit gehalten hatte, war in Wirklichkeit Selbstbeherrschung.
Ungewohntes Mitgefühl stieg in Shelley auf, als Jaime sich zu seiner Mutter hinabbeugte und sie auf die Wange küsste.
„Ich habe Shelley mitgebracht, und es liegt nun bei dir, sie zum Bleiben zu überreden. Heute Nachmittag fahre ich mit ihr zur Villa, aber jetzt ruft mich die Arbeit.“
„Der arme Jaime hat sehr viel zu tun, aber ich habe den Eindruck, dass es ihm Freude macht.“ Die Condessa sprach lebhaft, doch die Müdigkeit war nicht aus ihrem Blick gewichen. „Jaime hat mir erzählt, durch welchen Zufall du von deinem Vater erfahren hast. Wir hatten ja keine Ahnung. Er war so ein wunderbarer Mensch.“ Ihre Stimme bebte leicht. „Ich möchte, dass wir uns duzen, wenn es dir recht ist.“
Shelley nickte. Es kam ihr so vor, als müsse sie die Condessa trösten und nicht umgekehrt. Es war unmöglich, sie nicht zu bemitleiden.
„Du sollst wissen“, fuhr die Condessa fort, „dass es sein sehnlichster Wunsch war, dich zu finden.“
Sie öffnete eine Schublade in ihrem Schreibtisch und holte ein dickes Fotoalbum heraus. Zögernd hielt sie es Shelley hin. „Vielleicht interessiert es dich?“
„O ja.“
Damit war der Bann gebrochen, und während sie langsam das Album durchblätterten, wurde die Stimme der Condessa zunehmend fester.
Shelley sah, dass ihr Vater hochgewachsen war, wie sie selbst. Seine Augen blickten gütig und mitfühlend, ganz wie sie es vermutet hatte. Dann kamen die Hochzeitsfotos. Ihr Vater neben der Condessa und dem jungen, angespannt wirkenden Jaime. Fotos, auf denen er mit Jaime und Carlota spielte, in den Weinbergen arbeitete, und Bilder von ihm an der Staffelei. Die Erzählungen der Condessa ließen alles für Shelley lebendig werden.
Als ihre Stiefmutter die letzte Seite des Albums umgeblättert und es zugeklappt hatte, legte sie es beiseite und blickte Shelley unsicher an.
„Ich habe deinen Vater sehr geliebt. Vielleicht umso mehr, als meine erste Ehe unglücklich war. Ich würde auch dich gern in mein Herz
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