Heiratsantrag auf Portugiesisch
Hafen aus war er in See gestochen und um das Kap der Guten Hoffnung nach Indien gesegelt. Beeindruckt betrachtete Shelley die prächtigen Bauwerke der Stadt. Sie wusste allerdings, dass Mitte des achtzehnten Jahrhunderts alle Gebäude aus der damaligen Zeit von dem gewaltigen Erdbeben zerstört worden waren.
Sie fuhren durch das Stadtzentrum und dann eine lange Allee entlang. Schließlich bog Jaime in eine ruhige Seitenstraße mit prachtvollen Wohnhäusern ein. Es handelte sich eindeutig um ein exklusives Viertel. Vor einem der vornehmen Häuser hielt er an.
„Die Familie meines ersten Mannes wohnte hier, noch bevor er die quinta und das umliegende Land erwarb“, erklärte die Condessa, während ihr Sohn Shelley aus dem Wagen half.
Die Haustür wurde sofort geöffnet, und die Bediensteten nahmen ihnen das Gepäck ab. Dann traten sie in die große, hohe Eingangshalle, in die kaum Tageslicht einfiel.
„Maria hat etwas zu essen für uns vorbereitet“, sagte Carlota. „Sie weiß, dass Mutter nach der langen Fahrt immer sehr hungrig ist.“ Grinsend wandte sie sich ihrem Bruder zu: „Jaime wird uns jetzt sicher verlassen. Er hat seine eigene Wohnung in der Stadt und hält sich lieber dort auf.“
„Dieses Mal nicht, Schwesterchen.“
Carlota blickte ihn überrascht an, dann huschte ein verstehendes Lächeln über ihr Gesicht. „Ach, natürlich. Klar. Du bleibst lieber hier in der Nähe von Shelley.“
Shelley spürte, wie Carlotas freimütige Worte sie erröten ließen. Jaime hingegen schien nicht im Geringsten verlegen zu sein.
„Du hast es erfasst“, sagte er gelassen. „Und in nicht allzu ferner Zukunft möchte ich ihr noch näherkommen.“
Das konnte man nicht missverstehen. Carlota sah Shelley mit leuchtenden Augen an, und auch die Condessa schenkte ihr ein warmes Lächeln.
Panik stieg in Shelley auf, und sie wandte sich fast abrupt Jaime zu: „Du hast versprochen, mich nicht zu drängen.“
Diskret entfernten sich die Condessa und Carlota.
„Ich bin auch nur ein Mann“, erwiderte er trocken. „Willst du mir meine Ungeduld zum Vorwurf machen?“ Dann raunte er: „Ich will dich. Ich will dich in meinen Armen und in meinem Bett.“
Heiß durchflutete es sie, als er sich zu ihr herabbeugte und ihr seine Fantasien ins Ohr flüsterte.
Für einen Moment wünschte sie, er würde sie auf die Arme heben, zu seinem Bett tragen und sie all das erleben lassen, was er ihr soeben versprochen hatte. Doch die Vernunft siegte, und bebend trat sie einen Schritt zurück.
Als sie sich jedoch kurz darauf in ihrem Zimmer für das Abendessen umkleidete, ließ sie ihrer Vorstellungskraft freien Lauf und glaubte beinahe zu spüren, wie seine Hände über ihren Körper glitten.
Schluss damit! Sie beeilte sich, ihr Make-up zu erneuern. Jaime machte kein Geheimnis daraus, dass er sie begehrte. Es gefiel ihr nicht, dass er einen solchen Druck auf sie ausübte. Warum musste alles so schnell gehen? Weil er sie liebte? War das wirklich möglich? Sie war doch gar nichts Besonderes. Ihre Großmutter hatte sie immer für unscheinbar gehalten. Und selbst wenn sie inzwischen eine gut aussehende Frau war, so wusste Shelley doch, dass sie bei Männern keine große Leidenschaft auslöste. Konnte es sein, dass Jaime sie nur heiraten wollte, weil es der Wunsch ihres Vaters gewesen war?
Während des Abendessens war Shelley sehr schweigsam. Sie spürte, dass Jaime sie gelegentlich anblickte, doch es gelang ihr nicht, sich an dem Gespräch, das auf Englisch geführt wurde, zu beteiligen. Hätte man an diesem Abend Portugiesisch gesprochen, sie hätte kaum weniger mitbekommen.
Der Condessa gelang es schließlich, sie mit der Bemerkung aus der Reserve zu locken, dass sich ihre Verwandten sehr darauf freuten, Shelley kennenzulernen.
„Die Tanten und Cousinen kommen immer zur selben Zeit wie wir mit ihren Familien nach Lissabon. Sie möchten dich gerne treffen.“
„Besonders, wenn sie erfahren, dass Shelley und Jaime heiraten wollen“, sagte Carlota mit einem Grinsen. „Jaime ist das Familienoberhaupt“, erklärte sie Shelley. „Und die Tanten wetteifern darin, eine Braut für ihn zu finden. Jeden Sommer gehen hier unzählige passende junge Damen ein und aus.“ Sie verdrehte die Augen. „Das ist einer der Gründe, warum Jaime normalerweise nicht hier wohnt. Er geht ihnen lieber aus dem Weg.“
„Jetzt redest du aber Unsinn, Schwesterchen“, setzte Jaime einen Schlusspunkt unter ihre Erklärungen. „Natürlich wollen
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