Heiratsantrag auf Portugiesisch
ihm. Und das machte ihr Angst. Sie musste ihn auf Distanz halten. Es ging nicht anders.
Als spürte er, wie zerbrechlich sie sich fühlte, trat Jaime einen Schritt zurück und sagte beruhigend: „Dann schlafe ich also heute Nacht in meinem alten Zimmer. Aber morgen müssen wir darüber reden, Shelley. Irgendetwas stimmt hier nicht. Es steckt mehr dahinter, als du mir bis jetzt gesagt hast. Hat Sofia etwas damit zu tun?“, fragte er mit scharfer Stimme.
Ihr Puls begann zu rasen. „Du hast gesagt, die Affäre sei vorbei.“
„Ja.“ Er klang ungeduldig. „Womit hat sie dich so völlig aus der Fassung gebracht? Hat sie dir Unsinn erzählt und dein Selbstwertgefühl damit völlig zerstört?“
Er hätte Schauspieler werden sollen. Wie besorgt er klang und wie gut er sie kannte.
„Hat sie dir wehgetan?“
Das war ihre Chance. Ihr Herz schlug schneller, als sie leise fragte: „Könnte sie mir denn wehtun?“
Bitte, sag jetzt die Wahrheit.
Er sah sie nachdenklich an. Ohne den Blick von ihr zu lösen, erwiderte er: „Ich weiß es nicht. Sag du es mir.“ „Ich will nicht über Sofia oder sonst jemanden reden. Ich gehe jetzt zu Bett.“
„Allein“, fügte er schneidend hinzu. „Wie du willst. Ich werde dich nicht zwingen, dein Bett mit mir zu teilen. Auch bin ich im Moment nicht in der Stimmung, dich dazu zu bringen, es dir anders zu überlegen. Dir ist sicher klar, dass dein Verhalten alles andere als schmeichelhaft für mich ist. Woher kommt es? Angst vor dem ersten Mal? Oder hast du inzwischen herausgefunden, dass du mich doch nicht liebst?“
Das war der rettende Strohhalm, und sie ergriff ihn. Dabei bemerkte sie nicht, wie etwas in seinen Augen erlosch, als sie sagte: „Ich weiß nicht, was ich für dich empfinde. Jedenfalls hast du mich in die Ehe gedrängt, bevor ich reif dafür war.“
„Ach, dann ist also alles meine Schuld? Gut, dann geh allein schlafen, wenn du es so willst. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du meine Frau bist. Nichts kann daran etwas ändern.“
O doch, es ließ sich sehr wohl etwas ändern, solange die Ehe nicht vollzogen war. Doch daran wollte sie ihn in diesem Moment nicht erinnern. Sie würde warten, bis sie über ihre rechtliche Situation im Bilde war. Dann erst sollte er es erfahren.
Shelley hatte Glück. In der Nacht brach ein Gewitter aus, das Schäden in den Weinbergen verursachte, und als sie am nächsten Morgen aufstand, war Jaime schon lange aus dem Haus. Er war den Großteil des Tages weg. Falls die Bediensteten es seltsam fanden, dass die Jungvermählten in getrennten Zimmern geschlafen hatten, so ließen sie sich jedenfalls nichts anmerken, sondern waren freundlich und zuvorkommend.
Entgegen ihrer Erwartung bedrängte Jaime sie nicht weiter. Er machte keinerlei Anstalten, sie dazu zu bringen, mit ihm zu schlafen. Im Gegenteil, er behandelte sie so kühl und distanziert, dass sie sich schließlich fragte, ob er nicht insgeheim froh darüber war, sich nicht länger mit seiner unerfahrenen, langweiligen Ehefrau abgeben zu müssen. Zweifellos kann er es kaum erwarten, sich wieder mit Sofia zu treffen, dachte sie verbittert. Als er vier Tage nach ihrer Rückkehr von Lissabon verkündete, er müsse dringender Geschäfte wegen in die Stadt zurück, glaubte sie genau zu wissen, um was es sich dabei handelte.
„Gut“, meinte sie mit spöttischem Lächeln, „ich möchte dich gern begleiten. Dann kann ich mich mit deiner Mutter treffen.“ Und mit einem Anwalt. Sie wurde immer dünnhäutiger, je mehr Zeit verstrich. Mit Jaime unter einem Dach zu leben setzte ihr zu, und am schlimmsten war die Erkenntnis, ihn noch immer zu lieben. Dass sie ihn auch körperlich begehrte, machte alles nur noch schwieriger, und sie verachtete sich dafür.
Nachdem Sofia ihr die wahren Gründe für Jaimes Heiratsantrag enthüllt hatte, wäre Shelley am liebsten sofort abgereist. Nach und nach wurde ihr allerdings klar, dass die andere genau das hatte erreichen wollen. Nein, sie würde sich ihre verletzten Gefühle nicht anmerken lassen, sondern bleiben und den Verkauf der Villa verhindern.
Sie hatte beschlossen, sich Jaime zu entziehen. Nun aber, vier Tage nach der Hochzeit, fühlte sie sich angespannt und überreizt. Sie wusste selbst nicht, was sie erwartet hatte: Bitten, Beschwörungen oder vielleicht einfach die Weigerung, ihren Standpunkt zu akzeptieren. Keinesfalls hatte sie jedoch mit der kalten Wut gerechnet, die sie ein oder zwei Mal in seinen Augen aufblitzen
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