Heiratsantrag auf Portugiesisch
berechnenden Ausdruck an, den Shelley jedoch nicht mehr wahrnahm, da sie sich mit aller Kraft bemühte, die Tränen zurückzuhalten. „An Ihrer Stelle würde ich gar nicht mehr abwarten, bis er zurückkommt, sondern das nächste Flugzeug nehmen. Oder haben Sie nicht so viel Stolz?“
Im Gegenteil, sie hatte Stolz. Zu viel, um einfach davonzulaufen. Nein, sie würde Jaime mitteilen, dass sie nicht seine Frau sein konnte, danach einen Anwalt aufsuchen und die Ehe annullieren lassen. Eines wusste sie sicher. Jaime würde die Villa nicht bekommen. Ihr Vater und die Condessa hatten das Grundstück mitsamt dem Gebäude erhalten wollen. Vielleicht hat mein Vater deshalb die Villa mir vererbt, dachte Shelley. Jedenfalls würde sie sich seines Vertrauens würdig erweisen. Wenn Jaime tatsächlich glaubte, er habe sein Ziel erreicht, dann stand ihm noch eine Überraschung bevor.
Kaum eine halbe Stunde nachdem Sofia das Haus verlassen hatte, kehrte Jaime zurück. Mit unerwartet hartem Gesichtsausdruck betrat er den Salon.
„Ich habe gerade von Maria erfahren, dass Sofia hier war. Was wollte sie?“
„Nichts weiter, sie hat uns zur Hochzeit gratuliert.“ Auch Shelley konnte lügen, wenn es darauf ankam. „Ich wusste gar nicht, dass ihr Vater hier in der Nähe bauen will.“
„Ihm gehört der neue Hotelkomplex am Meer. Ich habe mich gerade mit ihm getroffen.“
„Oh.“ Ich bin eine bessere Schauspielerin, als ich mir je zugetraut hätte, dachte sie bitter. Jaime schien jedenfalls nicht zu bemerken, wie es um sie stand. „Wurde denn alles zu deiner Zufriedenheit geregelt?“
Bei ihrer Wortwahl erschien eine steile Falte auf seiner Stirn. „Mein Gott, Shelley, das ist unsere Hochzeitsnacht. Ich will heute mit dir nicht über Geschäftliches reden.“ Seine Stimme war schneidend.
Das kann ich mir denken.
„Ich auch nicht“, erwiderte sie spitz, stand auf und ging zur Tür. Dort drehte sie sich um und fragte mit ausdrucksloser Stimme: „Jaime, hättest du mich nach London abreisen lassen, wenn deine Mutter damals in Lissabon nicht ins Zimmer geplatzt wäre?“
„Dich abreisen lassen?“ Seine Stimme war rau. „Niemals. Du weißt doch, dass …“
Ja, sie wusste es. Und nun wusste sie auch, warum. Sie wandte sich ab, damit er den Schmerz in ihren Augen nicht sah.
Sobald sie sich wieder unter Kontrolle hatte, drehte sie sich zu ihm um, straffte die Schultern und hoffte, die nächsten Minuten irgendwie zu überstehen.
„Jaime, ich kann heute Nacht nicht mit dir schlafen. Auch nicht in den nächsten Tagen. Ich bin zu verwirrt. Ich brauche einfach Zeit.“
Zeit, um die Ehe für ungültig erklären zu lassen und sich von der Demütigung zu erholen. Sie entnahm seinem ungläubigen Gesichtsausdruck, dass er nicht wusste, was Sofia ihr wirklich erzählt hatte. Das überraschte sie nicht. Trotz allem, was Sofia behauptet hatte, stand Jaime seinen Mann und würde unangenehme Dinge selbst erledigen. Nein, er wollte sie so lange wie möglich unwissend halten und hatte nicht erwartet, dass Sofia vorpreschen würde. Die Portugiesin ist sicher eine eifersüchtige Geliebte, die jede Konkurrentin ausschalten will, selbst die Ehefrau, vermutete Shelley. Sie wollte erreichen, dass sie abreiste.
Aber das würde sie erst tun, wenn sie ihre rechtliche Situation kannte. Behielt sie nach portugiesischem Recht als verheiratete Frau ihren Grundbesitz? Spielte die Tatsache, dass die Ehe nicht vollzogen wurde, eine Rolle? All das musste sie herausfinden.
Jaime blickte sie ungläubig an.
„Was geht hier vor?“, fragte er stockend. Er ging auf sie zu, blieb aber kurz vor ihr stehen, ohne sie zu berühren. „Shelley, was ist passiert? Als ich vorhin wegging, hast du mich angesehen, als könntest du es nicht erwarten, bis wir zusammen sind. Und jetzt sagst du mir, dass …“
„Dass ich nicht mit dir schlafen werde“, beendete sie den Satz. „Es tut mir leid, aber ich kann einfach nicht. Ich hatte dich gebeten, mich nicht zur Ehe zu drängen, das weißt du doch.“
„Shelley! Bitte! Ich verstehe ja deine Ängste, aber ich verspreche dir …“
„Es hat keinen Sinn!“ Sie spürte, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch stand. Wenn sie diese Zusammenkunft nicht schnell beendete, würde sie mit allem herausplatzen, und das wollte sie nicht. Sie befürchtete, ihm nicht widerstehen zu können, wenn er versuchen sollte, sie zu verführen. Denn trotz allem, was Sofia ihr gesagt hatte, sehnte sich ein Teil von ihr noch immer nach
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