Heiratsmarkt
ich vermute stark, hätte ich ihn nicht auf einem Ball kennengelernt, als er seine Uniform trug, hätte ich ihn kein zweites Mal angeschaut." Sie fügte ernst hinzu: „Wissen Sie, Vetter, ich bin der strikten Meinung, dass man den Herren keineswegs erlauben sollte, Bällen und Gesellschaften in eleganter Galauniform beizuwohnen. An Uniformen ist etwas sehr Trügerisches. Zum Glück - denn ich glaube, er war sehr unstandesgemäß -habe ich ihn gleich die Woche darauf zufällig getroffen, als er nicht in Uniform war. Daher hatte ich keine Zeit, mich wirklich in ihn zu verlieben. Es war denkbar ernüchternd!"
„Wer war denn dieser Unglückliche?", fragte er, die Augen warm vor Lachen.
„Ich kann mich nicht mehr an seinen Namen erinnern - es ist so lange her."
„Ach ja!", ergänzte er mitfühlend. „Das war, bevor Sie so ein boshaftes altes Frauenzimmer wurden!"
„Boshaftes altes Frauenzimmer!" Sie beherrschte sich und sagte dann mit einem kläglichen Lächeln: „Ach Himmel, ich glaube, das bin ich wirklich!"
„Wirklich? Dann lassen Sie sich sagen, mein Kind, dass Sie verboten töricht sind, wenn Sie immer von ,als Sie noch jung waren' reden."
„Nein, das ist nicht wahr! Ich bin vierundzwanzig und seit Jahren sitzen geblieben", erwiderte sie.
„Weh und Ach!", spöttelte er.
„Nichts dergleichen! Bitte sehr, was, glauben Sie, wäre aus ihnen allen geworden, wenn ich nicht sitzen geblieben wäre?"
„Das weiß ich nicht, und es kümmert mich auch nicht."
„Nun, ich weiß es schon, und mich kümmert es außerordentlich! Außerdem finde ich es sehr angenehm, eine alte Jungfer und endlich alle lästigen Einschränkungen endgültig los zu sein! Wenn ich noch heiratsfähig wäre, dann könnte ich, zum Beispiel, in diesem Augenblick nicht hier sitzen und mit Ihnen reden - ohne eine Anstandsdame weit und breit! Jeder würde annehmen, dass ich Sie angeln will und außerdem ein lockeres Frauenzimmer bin! Aber wenn die Gräfin Lieven oder sogar Mrs. Burreil jetzt vorbeikäme, dann würden sie nicht einmal eine ihrer abscheulich hochmütigen Augenbrauen heben, nicht mehr, als wäre ich Miss Berry!"
Dieser Vergleich mit einer Dame, die etliche sechsundfünfzig Jahre auf dem Rücken hatte, überwältigte Seine Lordschaft beinahe. Es gelang ihm zwar, sein Gesicht zu beherrschen, in seiner Stimme hingegen war deutlich ein Schwanken zu hören, als er zustimmte: „Sehr richtig! Ich staune, dass mir das nicht selber eingefallen ist."
„Ich bin überzeugt, Sie haben nie einen Gedanken darauf verschwendet", erklärte Frederica freundlich.
„Nein", gab er zu, „wirklich nicht!"
„Warum auch? Die Herren werden nicht mit Anstandsdamen belästigt", sagte sie und sann etwas sehnsüchtig über diesen glücklichen Zustand nach.
„Ich versichere Ihnen, ich bin häufig von ihnen belästigt worden! Und habe sie äußerst unangenehm gefunden."
Der sehnsuchtsvolle Blick verschwand im Nu. „Was für ein entsetzliches Geschöpf Sie sind, Vetter!", tadelte sie liebenswürdig.
„Ja, ein ganz übler Geselle. Habe ich Sie nicht davor gewarnt?"
„Sehr wahrscheinlich, doch Sie erzählen so viel Schwindel über sich, dass ich bestimmt nicht zugehört habe." Sie wandte ihm ihr Gesicht zu und sagte mit einem Lächeln in ihren Augen: „Viele Leute haben mich gewarnt, dass Sie äußerst gefährlich seien. Sie haben einen schlechten Ruf, Vetter! Aber uns gegenüber waren Sie mehr als gütig - obwohl Sie nicht im Geringsten wünschten, sich mit uns anzufreunden. Daher gebe ich keinen Deut darauf, was irgendjemand über Sie sagt!"
Er begegnete ihrem klaren Blick mit einem Ausdruck in den Augen, der schwer zu deuten war. „Wirklich nicht? Aber das spornt mich zum Aufbieten all meiner Kräfte an, den Ruf zu rechtfertigen!"
„Wenn Sie sich doch bloß von dem Gedanken befreien wollten, dass ich eine dumme Gans bin!", sagte sie streng. „Statt Unsinn zu reden, erzählen Sie mir lieber, was Sie von Sir Mark Lyneham wissen!"
„Was - ist der auch einer der Verehrer von Charis? Mein liebes Kind, der wird nicht noch einmal dreißig Jahre alt werden!"
„Nein, aber ... etwas, das sie mir unlängst sagte, lässt mich überlegen, ob sie nicht vielleicht mit einem älteren Mann glücklich wäre. Mit einem, auf den sie sich verlassen könnte, der sie lenkt, der sich um sie kümmerte und nicht mit ihr streitet, nur weil er zufällig wütend ist. Denn soviel ich gesehen habe, sind junge Gatten oft aufbrausend, und das ginge bei Charis nie!
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