Heiratsmarkt
unbedachte Verbindung. Charles war ein hochbegabter junger Mann, hingegen ohne Vermögen; sein Ehrgeiz galt der Politik, und die Heirat mit einem Mädchen, das nur eine bescheidene Mitgift und keinerlei Einfluss besaß, würde ihn kaum in seiner Laufbahn fördern. Alverstoke führte zwar das Gespräch mit Miss Winsham weiter, beobachtete jedoch Chloe unter seinen trägen Augenlidern hervor. Wirklich recht hübsch, dachte er leidenschaftslos, nur allzu frisch dem Schulzimmer entronnen, um sich bereits entfaltet zu haben. Ihr schnelles Erröten verriet ihre Jugend und ihre Liebe, aber sie hatte eine nachdenkliche Stirn und einen leisen Ernst, der seltsam einnehmend war. Seine Lordschaft begann zu verstehen, was Charles, einen ernsten jungen Mann, an ihr faszinierte. Nun, wenn diese Vernarrtheit andauerte, dann würde der Marquis, vermutete er, gezwungen sein, dem Jungen seine Unterstützung zu leihen. Wenn er keine vermögende und einflussreiche Frau bekam, dann brauchte er einen Gönner, jemanden, der genügend Rang besaß, um seine ersten Schritte zu fördern, nicht durch finanzielle Hilfe (die Charles bestimmt zurückweisen würde), sondern, indem er ihm eine Anstellung in Regierungskreisen sicherte, wo ihm sein Eifer und seine Talente Anerkennung und einen schnellen Aufstieg sichern würden. Darin gäbe es keine Schwierigkeiten. Die Schwierigkeit wäre nur, an Charles' Stelle wieder einen Sekretär zu finden, den Seine Lordschaft genauso gern mochte. Aber die Sache schien Alverstoke nicht allzu dringend. Er vermutete, dass Chloe Charles' erste große Liebe war, und er war ganz sicher, dass Charles auch für Chloe der Erste war. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde die Sache ohnehin im Sande verlaufen.
Schwerer war zu entscheiden, ob Charis eine stärkere Vorliebe für Endymion empfand, als für einen anderen ihrer Bewerber. Sie schien sie alle freundlich zu betrachten, und wenn in ihren Augen warme Bewunderung stand, sobald sie auf ihm ruhten, war daran nichts Uberraschendes - schließlich war er ein ausgesucht schöner Bursche, dieser Endymion.
Was Fredericas Vorbild der Tugend betraf, hielt Seine Lordschaft, der nichts für romantische Melancholie übrig hatte, Sir Mark für ausgesprochen unzuverlässig und war überzeugt, dass er keineswegs die Absicht hatte, Charis um ihre Hand zu bitten.
Er versuchte nicht ihre Aufmerksamkeit zu fesseln, sondern schien damit zufrieden, sie träumerisch anzusehen, während ein schwaches Lächeln, das Seine Lordschaft eigenartig albern fand, um seinen Mund lag. Sir Mark entschuldigte sich, dass er sich der spielenden Gruppe nicht anschloss, und saß immer noch von der Betrachtung Charis' hingerissen da, als Alverstoke, nachdem er sich von Miss Winsham verabschiedet hatte, zu ihm hinüberschlenderte und mit träger Stimme, in der eine Spur Hohn mitschwang, bemerkte: „In die Bewunderung meines Mündels verloren, Lyneham?"
Sir Mark fuhr zusammen und schaute auf. Als er sah, wer ihn aus seiner Träumerei aufgescheucht hatte, stand er auf, verbeugte sich und entgegnete schlicht: „Ja, Mylord. Sie ist ein Botticelli, nicht? Man möchte fast meinen, dass sie ihm in einer anderen Inkarnation Modell stand, als er seine Geburt der Venus malte. Ach, dass man sie nicht in einen Rahmen
setzen kann, damit sie den Augen eine ständige Erfrischung wäre! Man möchte wünschen, dass dieses Gesicht ewig so bliebe, wie es heute ist, rein und vollkommen!" Er seufzte. „Dies kann natürlich nicht sein. Die liebliche Unschuld, die wir jetzt sehen, wird, da sie an der Schwelle des Frauentums steht, nur allzu bald schwinden. Alter und Erfahrung werden ihr seine Siegel aufdrücken, Furchen in ihre Schönheit meißeln, und ..."
„Und ihr ein Doppelkinn verschaffen!", unterbrach ihn Seine Lordschaft, der für wunderliche Grillen nichts übrig hatte.
Er ließ Sir Mark abrupt stehen und ging zu Frederica, um sich von ihr zu verabschieden. Sie teilte eben Spielmarken und Zahlpfennige an die Spieler aus, die um den Spieltisch saßen; als sie ihn aber auf sich zukommen sah, drückte sie die Schachtel ihrer Schwester in die Hand und begleitete ihn an die Treppe. „Ich bitte Sie nicht, noch zu bleiben", sagte sie, „denn bestimmt haben Sie sich noch nie so gelangweilt. Aber hoffentlich haben Sie sich überzeugt, dass wir nicht in schlechte Gesellschaft geraten sind."
„O ja - völlig harmlos!", erwiderte er. „Genauso wie Ihr Tugendbold, dessen einziger Wunsch anscheinend darin besteht, Ihre
Weitere Kostenlose Bücher