Heirs of Kilronan 01 - Geheimnisvolle Versuchung
was die Amhas-draoi dazu veranlasste, sie anzugreifen? Sag mir die Wahrheit, Daz!«
Die Luft schien sich um den Älteren zu verdichten. Sie ließ ihn altern, vertiefte die Falten in seinem Gesicht und verstärkte die Sorge in seinen Augen und das Zittern seiner Hände, die sich um die Armlehnen seines Sessels krampften. Bin ich zu weit gegangen?, fragte Aidan sich. Würde seine Frage Daz in die düstere Welt der Demenz zurückstoßen? Die Kiefer des alten Mannes mahlten, als kaute er seine Worte durch, bevor er sprach.
»Du willst wissen, was wirklich geschehen ist? Was wir getan haben, um den Zorn der Amhas-draoi zu wecken?« Daz’ Stimme war nur noch ein Krächzen, und sein Blick ging nach innen und zu einer Zeit und einem Ort, an die Aidan ihm nicht folgen konnte. »Die richtige Frage, Junge, ist nicht, was wir getan haben, sondern was wir nicht getan haben.« Er erschauderte und befeuchtete sich nervös die Lippen. »Das Tagebuch kann dir etwas dazu sagen. Über die Versammlungen. Die Experimente. Die Reden und das Gebaren. Aber nichts von alldem kann den wahren Schrecken jener Tage veranschaulichen.«
Er hielt inne und überließ es Aidan, sich den Nacken zu reiben und abzuwarten. Voller Furcht und ganz krank bei dem Gedanken, was auf ihn zukommen mochte.
»Dein Vater kam auf die Idee, die Anderen zu organisieren, sie in der gemeinsamen Sache gegen die Duinedonschen Unterdrücker zu vereinen. Ein Tau aus vielen Strängen ist stärker als ein einzelner Faden, pflegte er stets zu sagen.«
Das Glück ist mit den Starken . Das Motto seiner Familie und der Kampfschrei seines Vaters.
»Von da an wurden die Neun mächtig, eine sich ausbreitende Bedrohung, die uns alle zu verschlingen drohte. Wir ignorierten die Warnzeichen. Wir waren gerechtfertigt und hatten das Recht auf unserer Seite. Aber als Worte nicht mehr ausreichten, um unsere Sache voranzutreiben, griffen wir immer mehr zu Gewalttätigkeiten und Mord. Unser Traum war zu einer Besessenheit geworden.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Nein?« Daz’ scharfer, eindringlicher Blick schien Aidan buchstäblich an seinen Platz zu fesseln. »Ich glaube, du verstehst sehr gut, auch wenn du es dir nicht eingestehen willst. Dein Vater. Dein Bruder. Wir alle wuschen uns im Blut von jedem, der sich uns entgegenstellte. Der anderer Meinung war als wir. Alles im Namen unseres Magiererbes. Unserer Rasse. Wir versuchten, unsere Macht dazu zu benutzen, Zauber freizusetzen, die in der Leere des Unsichtbaren eingeschlossen waren. Und aus gutem Grund gefangen gehalten wurden. Kein Mensch kann diese Kräfte kontrollieren. Sie handeln ihrem eigenen Willen entsprechend. Sie verbünden sich nicht, und sie bitten nicht.«
»Vater musste doch wissen, dass er nicht hoffen konnte, einen solchen Sieg zu erringen.« Aidans Stimme klang schon genauso zittrig und unsicher wie Daz’. »Die Duinedon sind den Anderen zahlenmäßig weit überlegen. Hundertmal? Tausendmal? Selbst wenn wir auf unsere magischen Fähigkeiten zurückgriffen, würde die menschliche Welt uns so mühelos zerbrechen wie ein Ei. Wir bluten, und wir sterben. In dieser Hinsicht ist nichts Besonderes an uns.«
»Ja, aber wenn wir einen Anführer hätten ... Jemanden, der alle weit verstreut lebenden Anderen vereinen und uns zeigen würde, was wir sein könnten?«
»Artus«, murmelte Aidan.
»Das war Brendans Idee. Er war darauf gekommen und handelte danach. Kämpfte dafür und war sogar bereit, sich auf dem Altar seiner Sache opfern zu lassen.« Daz ließ sich zurücksinken, sein Gesicht so grau jetzt wie sein Haar. »So weit ist es aber nie gekommen. Statt eines großartigen und ruhmreichen Endes fand Brendan nichts als einen entwürdigenden Tod.«
Oder hatte er es nur so aussehen lassen?
Schwindel. Entsetzen. Versengende Hitze, gefolgt von eisiger Kälte. Aidan sank gegen die Wand des oberen Korridors und kniff die Augen vor den Bildern in seinem Kopf zu.
Vater und er beim Klettern in den Klippen unter Belfoyle. Brendans Lachen, als er und Aidan Kopf an Kopf über die Felder galoppierten. Vater, der strenge Zuchtmeister, der jedoch auch stets bereit war, sich die Zeit zu nehmen, seinen Kindern zuzuhören. Brendan, ein Rivale in so vielen Dingen, aber ebenso sehr ein Freund wie auch ein Bruder.
Umstürzler, die die Weltordnung verändern wollten? Üble Verschwörer, die planten, einen toten König wiederzuerwecken? Einen grausamen Krieg um die Oberherrschaft zwischen Anderen und Duinedon anzuzetteln?
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