Heiß gekuesst
empfindet, weil ich nicht zu Extremen neige, aber er erzeugte bei mir kein anderes Gefühl als puren Hass.
»Warum tust du das?«, fragte ich. Ich wollte zumindest versuchen, seine Abgründe zu erforschen.
»Ich musste etwas unternehmen, damit Ruth und du endlich aufhört, euch zu zanken. Ich habe das jahrhundertelang ertragen und habe keine Lust mehr dazu.«
»Nein, nicht warum du Ruth weggeschickt hast – warum hast du Brom entführt?«
»Das habe ich dir doch gesagt. Wir wollen Gold. Das Gold, das du uns schuldest.«
Ich schüttelte den Kopf. »Du bist Wahrsager, Gareth. Du kannst doch mit deinem Beruf genug Geld verdienen. Dazu musst du doch nicht Brom entführen. Hat Thala dir das eingeredet?«
Er blickte mich gelangweilt an und lehnte sich mit verschränkten Armen an die Tür. »Sie hat Kontakt zu Ruth aufgenommen, ja. Aber wir hätten das auch ohne sie getan. Du bist es uns schuldig, Sullivan. Du schuldest uns viel für all diese Jahrhunderte der Fürsorge. Wir wollen nur, was uns zusteht.«
»Ich glaube das nicht …« Wieder schüttelte ich den Kopf. »Jahrhunderte? Das würde ja bedeuten, ich war bei euch, seit … seit ich getötet worden war.«
»Als wir dich fanden, bist du im Schnee herumgelaufen. Du wusstest nicht mehr, wer du warst und was mit dir passiert ist«, sagte er. Er bohrte in seinem Ohr und begutachtete seinen Finger. »Ruth wollte dich erfrieren lassen oder den Drachen überlassen, die das Schloss angriffen, aber mir war von vornherein klar, dass du eine fette Belohnung wert warst. Sonst hätte dich der Drachengott nicht wiedererweckt.«
»Hast du gesehen, wie der Erste Drache mich wiedererweckt hat?« Der Gedanke erstaunte mich, obwohl er durchaus einen Sinn ergab. Wenn Gareth und Ruth in der Nähe von Dauva waren, als die Festung fiel, hatten sie mich bestimmt gesehen, als ich benommen nach der Wiedererweckung herumlief.
»Ich überzeugte sie davon, dass es zu unserem Vorteil sein würde, dich am Leben zu erhalten, deshalb nahmen wir dich mit zu uns nach Paris.«
»Was habt ihr überhaupt in Lettland gemacht?«, fragte ich neugierig.
»Ich hatte im Monat zuvor ein wenig in die Zukunft geschaut und gesehen, dass dort etwas Wertvolles zu holen war. Da wir damals in St. Petersburg nicht gerade willkommen waren, sind wir eben dorthin gereist. Wir hatten keine Ahnung, dass du das wertvolle Objekt warst. Was zum Teufel?«
Die letzten Worte stieß er fast eine Oktave höher hervor, als sich plötzlich die ganze Welt um uns zu drehen begann und ein gleißendes Licht um uns herumwirbelte. Erst da wurde mir klar, dass wir uns in einer neuen Vision befanden.
»Cool«, hörte ich Brom hinter mir sagen. »Ist das einer dieser Träume, in denen du die Sachen aus der Vergangenheit siehst?«
»Ja. Bleib dicht bei mir, Süßer.« Ich griff nach hinten, packte ihn und zog ihn neben mich, während ich mich in dem kleinen, dunklen Raum der Vision umblickte. Es war kalt, sehr kalt, und wo immer wir uns auch befanden, es war nicht sehr schön.
»Können sie uns sehen?«
»Was ist los?«, wollte Gareth wissen. »Was zum Teufel hast du mit mir gemacht, Sullivan?«
Ich drehte mich in die Richtung, in die Brom zeigte. Wir befanden uns in einer kleinen Hütte. Schnee drang durch die Ritzen in den Bretterwänden. Eine wackelige Pritsche stand in einer Ecke an der Wand und darauf kauerte eine Gestalt mit einem dicken Pelzumhang.
»Ich verstehe nicht«, sagte die Gestalt und hob den Kopf. Sie hatte einen verwirrten, benommenen Ausdruck im Gesicht. Es war mein vergangenes Ich.
»Nein, sie können uns weder sehen noch hören.« Ich blickte vom heutigen Gareth zu seinem vergangenen Selbst, das sich leise mit Ruth beriet.
»Es ist ganz einfach«, sagte der vergangene Gareth und trat zu Ysolde. »Du bist bei uns. Wir haben dich vor den bösen Drachen gerettet, die dich töten wollten. Wir gehen zusammen nach Paris, damit sie dich nicht finden, und sagen deinen Freunden mit dem vielen Gold, dass du am Leben bist. Du erinnerst dich doch daran, oder?«
»Drachen?«, sagte Ysolde und rieb sich die Stirn. »Das ist etwas … etwas Schreckliches …«
»Das ist richtig, die Drachen sind schrecklich, und wir versuchen dir zu helfen, weil wir deine Freunde sind. Du erinnerst dich?« Gareth legte ihr beide Hände auf den Kopf und murmelte etwas, was wie eine Beschwörung klang.
Brom drängte sich enger an mich. »Was macht er da? Tut er dir weh?«, fragte er.
»Nein, Liebling. Er hat nur versucht, mich
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