Heiss wie der Sommer
freundliche Seite zum Vorschein.“ Er hielt inne und schüttelte den Kopf. „Fast hätte ich’s vergessen: Du hattest ja nie eine freundliche Seite.“
„Wie spät ist es überhaupt?“, brummte Tyler. Seine Armbanduhr lag oben im Schlafzimmer, und im ganzen übrigen Haus gab es weder eine Wanduhr noch einen Wecker.
„Kurz nach sechs“, antwortete Logan und stellte zwei Becher auf den Tisch. „Der halbe Tag ist schon vorbei. Wärst du ein Rancher, wüsstest du das.“
Kopfschüttelnd stolperte Tyler zur Toilette. Als er zurückkam, hatte sich Logan an den Tisch gesetzt und wartete darauf, dass der Kaffee fertig wurde. Er führte sich auf, als sei er in diesem Haus tatsächlich willkommen.
„Es wird Zeit, dass wir mal reden“, sagte Logan.
„Es gibt nichts, worüber wir reden könnten“, knurrte Tyler und ließ Kit Carson nach draußen, der ungeduldig an der Tür stand.
„Es tut mir leid, dass ich deine Gitarre zerschlagen habe.“
Die Worte waren schlicht und einfach, aber sein Bruder sprach sie mit einem so stolzen, ruhigen Tonfall, dass sie Tyler nur in seiner Anti-Logan-Haltung bestärkten.
„Netter Gedanke, aber der Spruch kommt ein paar Jahre zu spät“, gab er mürrisch zurück und starrte auf die Kanne, als würde der Kaffee dadurch schneller fertig sein.
Logan verdrehte die Augen und setzte eine ernste, entschlossene Miene auf. „Mein Gott, was bist du stur! Ich bin dein Bruder, Ty!“
„Verschon mich mit diesem ‚Ich bin dein Bruder‘-Mist“, konterte Tyler. „Vor fünf Jahren haben wir uns entschlossen, getrennte Wege zu gehen, und das aus gutem Grund. Dabei sollten wir es auch belassen, okay?“
„Hast du vor, auf der Ranch zu bleiben?“ Logans Kiefernmuskel zuckte. Er schien sehr verärgert zu sein.
„Möglich.“
„Und wie willst du Dylan und mir dann aus dem Weg gehen?“
„Da wird sich schon eine Lösung finden“, sagte Tyler.
Logan lachte leise. „Hast du eigentlich noch nie etwas getan, von dem du wünschst, du könntest es ungeschehen machen?“
Es gab Dutzende Dinge, auf die das zutraf. Aber Tyler hatte nicht vor, Logan daran teilhaben zu lassen, was er in seinem Leben alles bereute. „Was willst du?“, fragte er eindringlich und setzte sich seinem Bruder gegenüber an den Tisch. Das hier war
sein
Haus – warum also sollte
er
stehen, während
Logan
es sich auf einem Stuhl bequem gemacht hatte?
„Eine zweite Chance“, antwortete er mit belegter Stimme.
„Warum?“, hakte Tyler nach. Er war wirklich verblüfft.
Logan gab keine Antwort, sondern saß nur mit verschränkten Armen da und starrte ihn an.
„Du wirst keine Ruhe geben, richtig?“, fauchte Tyler.
„Richtig.“
„Okay, dann vergebe ich dir eben, dass du meine Gitarre zerschlagen hast. Bist du jetzt glücklich?“
„Ich bin
wirklich
glücklich!“, schoss Logan zurück. „Sehe ich etwa nicht glücklich aus?“
„Du siehst potthässlich aus“, sagte Tyler. „Würdest du dann jetzt endlich gehen? Ich bin kein Morgenmensch.“
Wieder musste Logan lachen und tippte mit einem Finger auf einen Stapel Papiere auf dem Tisch. Bis zu diesem Moment waren ihm diese Dokumente nicht aufgefallen. Er stutzte. „Was soll das?“
„Ich gehe davon aus, dass du lesen kannst.“
Tyler zog eine Grimasse und nahm den Stapel an sich. Auf dem Deckblatt stand: Tri-Star Cattle Company.
„Wir versuchen, hier eine Ranch zu führen. Mit ‚wir‘ meine ich Dylan und mich“, erklärte Logan. „Ein Drittel davon gehört dir. Wirst du unterschreiben oder nicht?“
8. KAPITEL
L ily war in der Waschküche und betrachtete das Etikett ihres vormals so schönen roten Kleids. Sie kämpfte sich gerade durch drei verschiedene Sprachen, bis sie die Pflegeanleitung auf Englisch fand, als ihr Dad den Kopf zur Tür hereinsteckte.
Prompt errötete sie und steckte das Kleid in die Waschmaschine. Sie war barfuß, ihre Haare waren noch feucht vom Duschen, und von einem kurzen Baumwollbademantel abgesehen, trug sie nichts am Leib – außer vielleicht die verräterisch strahlende Miene einer Frau, die sich von einer Nacht endloser Orgasmen erholte.
„Guten Morgen“, begrüßte Hal sie gut gelaunt. „Da du verschlafen hast, habe ich mir erlaubt, mich um das Frühstück zu kümmern. Es gab Toastwaffeln mit Marmelade und Sprühsahne, und dagegen kannst du jetzt nichts mehr unternehmen.“
Trotz ihrer Vorbehalte, was die Ernährungsgewohnheiten ihres Vaters und was die Art anging, wie sie sich am Abend zuvor bei
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