Heiss wie der Sommer
Füßen spüren, und er brauchte den weiten, endlosen Himmel über sich.
Er brauchte Lily.
Vielleicht brauchte er sogar seine Brüder, doch er war noch nicht bereit, das zuzugeben. Noch nicht.
Die Frage lautete: Brauchte Lily
ihn
? Mit Leib und Seele hatte sie auf jede seiner Berührungen reagiert, auf jedes gehauchte Wort, auf jeden Stoß seiner Lenden. Aber Sex war nicht das einzige Argument, um sich auf eine Ehe einzulassen, das war Tyler durchaus klar.
Hatte sie die Wahrheit gesagt? Wollte sie es wirklich nur hinter sich bringen und danach nichts mehr mit ihm zu tun haben? Auf dem Heimweg hatte sie schließlich keinen Zweifel daran gelassen, dass es nur um das eine gegangen war.
Zunächst war Tyler auch der Ansicht gewesen, dass sie beide nur etwas nachholen wollten, was sie schon vor Jahren hätten tun sollen. Doch rückblickend war ihm etwas bewusst geworden: Als sie beide gemeinsam den Höhepunkt erlebten, da waren nicht nur ihre Körper eins gewesen. Nein, da war noch etwas anderes, etwas viel Weitreichenderes mit ihnen geschehen. Etwas, das weit über das Körperliche hinausgegangen war und Geist und Seele berührt hatte.
Zumindest war es ihm so vorgekommen.
Er drehte den Kopf zur Seite, was den gegen ihn gelehnten Hund für einen Moment aus dem Gleichgewicht brachte, und schaute zur Hütte. Nach dem Aussehen des Gebäudes zu urteilen, musste es jeden Augenblick zusammenbrechen. Die Holzkonstruktion war durch die Schneelast von zu vielen harten Wintern irreparabel geschädigt worden. Zudem hatten zu viele Stürme versucht, die Wände umzureißen und die Fenster einzudrücken, während die Gluthitze in zu vielen heißen Sommern das Holz hatte spröde werden lassen.
Es wurde Zeit, die Hütte abzureißen und an ihrer Stelle etwas Neues zu bauen, so wie es Dylan mit seinem Teil der Ranch machte. So wie Dylan fühlte auch Tyler keine sentimentale Bindung zu dem alten Bauwerk. Was für ihn zählte, war das Land, das für Generationen von Creeds das Zuhause gewesen war. Von guten und schlechten Creeds, von starken und schwachen. Eine lange Reihe Vorfahren, die bis zum alten Josiah zurückreichte.
Mit einem Mal kam es Tyler so vor, als würden sich die Geister all seiner Vorfahren aus dem fruchtbaren Boden von Montana erheben, um ihre Ansprüche geltend zu machen.
Wir haben für dieses Land gekämpft
, schienen sie zu sagen.
Wir haben hier gelebt, wir haben hier Blut und Schweiß vergossen, und wir sind hier gestorben. Wir zogen unsere Kinder groß und setzten unsere Toten bei, wir weinten und lachten, und wir erhoben die Faust zum Himmel, wenn die Ernte ausfiel und das Vieh starb. Und ob es dir gefällt oder nicht: Du bist einer von uns. Wir sind in deinem Blut. Wohin du auch gehst, was du auch machst, und in wen du dich verändern willst, du bist und bleibst ein Creed.
„Verdammt“, murmelte er und fuhr sich durchs Haar.
Die Worte hallten in seinem Kopf nach.
Du bist und bleibst ein Creed
.
Kit Carson winselte besorgt.
„Du wirst dir ein dickes Fell zulegen müssen“, sagte Tyler und kraulte die Schlappohren des Hundes. „Du bist jetzt ein Creed.“
Gemächlich stand Tyler auf und kehrte ans Ufer zurück, dann zwang er sich, die Hütte zu betreten. Er wusste, er würde nicht in dem Bett schlafen können, das er gerade noch mit Lily geteilt hatte, also legte er sich auf das Feldbett, das im Parterre für Davie bereitstand.
Er wachte auf, als die Sonne ihm ins Gesicht schien und jemand in der Nähe des Ofens Lärm veranstaltete.
Tyler stützte sich auf einen Ellbogen auf und kniff die Augen zusammen.
Logan setzte Kaffee auf. Und Kit Carson, der in der Geschichte der besten Wachhunde der Welt niemals Erwähnung finden würde, stand gleich neben dem Eindringling, wedelte mit dem Schwanz und hechelte, wobei er aufmerksam die Ohren spitzte.
„Morgen, kleiner Bruder“, sagte Logan, als hätte er jedes Recht, hier einfach reinzuplatzen. „Gut zu wissen, dass du doch nur geschlafen hast, aber nicht tot bist. Du musst ja eine verdammt anstrengende Nacht hinter dir haben.“
„Was machst du hier?“, fuhr Tyler ihn an und stand vom Feldbett auf. Sein Hemd hatte er noch irgendwann ausgezogen, doch die Jeans vom Vorabend trug er nach wie vor.
„Wonach sieht es denn aus, Schwachkopf?“, gab Logan zurück.
„In erster Linie nach Hausfriedensbruch“, knurrte Tyler.
Sein Bruder grinste. „Ja, das auch“, stimmte er ihm zu. „Aber vor allem koche ich Kaffee. Vielleicht bringt eine Tasse deine
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