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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tränen rührte; er wurde bei den Komsomolzen von Kischinew sofort Abteilungsführer und hielt Vorträge mit den wortreichen Phrasen, die er fünf Jahre lang von Komorow in Moskau aufgesaugt hatte. Das brachte ihm den Ruf ein, ein äußerst kluger Bursche zu sein und zudem noch so etwas wie eine Laus, die Moskau in den Pelz von Kischinew setzte.
    Igor besuchte das Gymnasium, machte seine Reifeprüfung mit sehr gut, und begann dann, an der Universität von Kischinew Medizin zu studieren.
    Es war ein Feiertag bei den Pjetkins, als er mit dem Immatrikulationsbescheid nach Hause kam und sagte: »Nun bin ich Student der Medizin.«
    Irena Iwanowna küßte ihr kluges Söhnchen, und Pjetkin ließ den Korken einer Flasche Krimsekt an die Decke knallen.
    Schon am zweiten Tag des ersten Semesters griff das Schicksal tief in die Seele Igor Antonowitschs.
    Auf dem Flur vor dem Hörsaal der medizinischen Fakultät fiel ihm ein Mädchen auf, das über die Fliesen des Bodens rutschte und seine Bücher zusammensuchte, die ihm unter dem Arm weggeglitten waren. Igor bückte sich und half dem Täubchen, die Bücher zusammenzuschieben. Bis jetzt sah er nur den Glanz von blonden Haaren, die in der Sonne wie goldene Fäden glitzerten. Dann hob es den Kopf und sah ihn an.
    »Danke …«, sagte es kurz, drückte das Bücherpaket gegen seine runde Brust und ging ohne ein Wort weiter.
    Igor folgte dem Mädchen mit einem ganz fremden Gefühl im Herzen.
    *
    Das Mittagessen war im Hause Pjetkin vergleichbar mit einem geheimen Gottesdienst. Irena Iwanowna, eine stolze, schöne, hochgewachsene Frau mit dem edlen Gesicht einer Grusinierin, verwandte viel Zeit und Mühe auf das Einkaufen der Gemüse und Fleischsorten, Pilze und Gewürze, Süßigkeiten wie kandierte Beeren und gesäuerte Früchte und kochte selbst in der großen Küche. Oberstleutnant Pjetkin war ein Feinschmecker, und er begründete es so: »Wenn man, wie ich im Krieg, jahrelang nur fauligen Kohl und matschiges Brot gefressen hat, erwirbt man sich das Recht, im Frieden an den Schmalztöpfen zu sitzen.«
    Es gab zehn Genossen in Kischinew, die es sich leisten konnten, ein großes Haus zu führen, sogar Personal zu beschäftigen und für das Essen so viel Zeit aufzuwenden, wie andere fürs Bohnenpflücken. Daß Oberstleutnant Pjetkin dazugehörte, verdankte er dem Privatvermögen seiner Frau, seiner ordenglänzenden Uniform und seiner Verbindung zu Moskau. Sein alter Armee-General Ronowskij war Marschall geworden und baute eine neue Raketentruppe auf, etwas ganz Geheimnisvolles und Gefährliches. Das wirkte sich auch auf Pjetkin aus … man betrachtete ihn als eine Art Militärgouverneur und umschwänzelte ihn wie ein Rüde eine heiße Hündin.
    Das Mittagessen. Es begann mit militärischer Pünktlichkeit und einem erhobenen Glas auf das Wohl von Irena Iwanowna, dem sorgenden Mütterchen. An diesem Tage aber mußte man warten. Igor Antonowitsch, der Student der Medizin, verspätete sich. Pjetkin sah mehrmals mißbilligend auf seine Uhr, legte die flache Hand über das Glas mit Grusinischem Wein und ließ es zu, daß Irena die Vorspeise – Blini (das sind dünne Pfannkuchen mit geräuchertem Fisch) und warme Sahne – zurücktrug in die Küche und wieder auf die Ofenplatte stellte. Endlich klappte die Tür, Igor kam herein und setzte sich an den Tisch. Seine Augen glänzten, er streckte die Beine von sich und starrte gegen die Wand.
    »Mein Sohn benimmt sich wie ein Halbidiot«, sagte Pjetkin. »Kommt zu spät, entschuldigt sich nicht und grinst wie eine geplatzte Rübe.«
    »Ich bin verliebt, Vater«, sagte Igor und faltete die Hände über dem Tisch.
    Irena Iwanowna, die gerade zum drittenmal auftrug, ließ den großen Teller fast auf den Tisch fallen.
    »Er … er ist verliebt …«, stotterte sie. »Mein kleiner Igor ist verliebt. Mein Söhnchen, mein liebes …« Sie rannte um den Tisch herum, drückte den Kopf Igors an ihre Brust und weinte.
    Pjetkin betrachtete mißmutig dieses Bild einer aus den Fugen geratenen Mutter und schüttelte den Kopf. »Was soll's?« sagte er laut. »Igor ist zwanzig Jahre … wir sollten das nicht vergessen! Er ist ein Mann, Irena.«
    »Wer ist sie?« fragte Irena und streichelte Igors blonde Haare. Es war, als habe er ihr gestanden, seine Lunge sei geplatzt und nun liege er im Sterben. »Woher kommt sie? Wie hast du sie kennengelernt? An dich herangemacht hat sie sich, nicht wahr? An den Sohn des Pjetkin … das könnte ihr so passen! Erzähle,

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