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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weg, duckte sich und schlug zurück.
    Wie wilde Böcke sprangen sie gegeneinander, stießen mit den Köpfen zu, ließen die Fäuste durch die Luft wirbeln und hieben sich die Nasen blutig. Um sie herum sammelte sich ein Haufen Studenten und feuerte sie an.
    »Warum immer an den Kopf?« schrie einer aus der Menge. »Tritt ihm in den Unterleib, Brüderchen! Habt ihr gesehen? Er hat das schöne Bild bespuckt! Los, gib es ihm, Genosse!«
    Igors Augen quollen zu. Er sah nur noch die Umrisse seines Gegners und mußte den Kopf schief halten, um ihn in voller Größe zu sehen. Ihm geht's genau so, tröstete er sich. Wie ihm das Blut aus der Nase stürzt! Die linke Braue habe ich ihm aufgeschlagen. Immer auf das Auge muß ich ihn jetzt schlagen, immer auf die Wunde, bis er weich geklopft ist wie ein Tatarensteak …
    Irena Iwanowna schrie auf, als sie Igor ins Zimmer kommen sah. Dann schickte sie nach dem Arzt, schob Igor vor sich her ins Schlafzimmer und flehte ihn an, sich auszuziehen.
    »Mein Kleiner«, jammerte sie, als er endlich im Bett lag, einen nassen Essiglappen auf dem zerschundenen Kopf. »Mein Liebling, mein Schwänchen, mein Rosenblatt, wer hat's getan? Sag es, dein Vater wird ihn nach Sibirien schaffen lassen, jawohl, in ein Straflager, in die Bleibergwerke, verrecken wird er dort für seine Untat! O mein Söhnchen, er hat dir die Nase zermalmt, deine schöne, gerade Nase. Wo bleibt denn der Arzt? Hast du Schmerzen, mein Kleiner? Tut er dir gut, der Essiglappen? Nein, sprich nicht, sprich nicht … ruhe dich aus …«
    Sie rannte mehrere Male in dem Zimmer herum, lief dann in den Wohnraum, holte aus der unteren Schublade der Kommode eine kleine Handikone hervor, die dort versteckt war, unter Tischdecken und allerlei Krimskrams, setzte sich wieder ans Bett, schob den Essiglappen weg und legte die Ikone auf das Gesicht von Igor.
    »Helft ihm, ihr Heiligen …«, stammelte sie dabei. »Steht ihm bei, meinem armen Söhnchen …«
    Igor lag still, mit geschlossenen Augen, die Ikone auf dem Gesicht. Er roch das harzige alte Holz und erinnerte sich, was Boris Igorowitsch Komorow bei seinen Erziehungsvorträgen im Waisenhaus immer erzählt hatte. Religion ist wie eine Darmkrankheit … die besten Säfte saugt sie aus dem Körper, man wird schwächer und schwächer, und schließlich ist man so schlapp wie eine hampelnde Kasperpuppe und verfällt mit Haut und Haaren dem Irrglauben.
    Er verzog etwas den Mund, aber er warf die Ikone nicht von seinem Gesicht. Rührung überflutete ihn. Er tastete nach Irenas Hand und hielt sie fest.
    »Mamuschka …«, sagte er leise. »Ich mußte es tun! Er hat sie beleidigt. Ich hätte es auch getan, wenn sie dich bespuckten …«
    Wenig später kam der Arzt, wusch die Wunden, verpflasterte sie und gab den Rat, es bei Igor so zu tun wie bei den Boxern, die mit zugeschwollenen Augen aus dem Ring taumeln. »Rohes Fleisch auf die Augen«, sagte er. »Das zieht die Schwellung heraus. Und ruhig liegen.« Dann gab er Igor zwei Tabletten gegen die Schmerzen und verabschiedete sich.
    »Ist es gefährlich«, fragte Irena an der Haustür. »Verschweigen Sie nichts, Doktor. Bleibt etwas zurück? Er ist mein einziges Söhnchen, mein Sonnenschein.«
    »Er hat einen dicken Schädel.« Der Arzt drückte seine Kappe tiefer in die Stirn. »Ihm geht es besser als seinem Kontrahenten … von dem komme ich gerade.«
    Am Abend kam Pjetkin zurück. Schon in der Kommandantur hatte er von der Schlägerei im Universitätshof erfahren. Es hieß, der Rektor sei sehr erregt gewesen.
    »Wo ist er?« schrie Pjetkin, als er ins Haus stürmte.
    Irena Iwanowna stellt sich ihm entgegen wie eine Tigerin. »Im Bett.«
    »Laß mich zu ihm!«
    »Nein! Du zertrümmerst ihm die letzten Nerven!«
    »So ein Blödsinn! Er ist mein Sohn. Aus dem Weg!«
    Er wollte Irena zur Seite schieben, aber sie stemmte sich ihm entgegen und fletschte mit den Zähnen wie ein Raubtier.
    »Du siehst Igor nicht, bevor du einen anderen Blick hast.«
    »Soll ich um die Ecke schielen, he?« brüllte Pjetkin. »Ich will meinen Sohn in die Arme nehmen, weiter nichts. Mein tapferes Wölfchen! Habe ich als Vater kein Recht dazu?«
    »Er schläft.«
    Igor schlief nicht, als Pjetkin endlich ins Zimmer durfte. Er sah wie ein geflickter Teppich aus … neun Pflaster zählte Pjetkin. Das Gesicht war gelb von Jod.
    Vorsichtig setzte sich Pjetkin auf die Bettkante, sein Vaterherz zuckte, aber er war hart genug, es nicht zu zeigen.
    »Ich nehme an«, sagte er,

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